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Zum Thema Arbeitsrecht
- Arbeitszeitbetrug: Vertragswidrige Vernachlässigung der Arbeitspflicht zieht Kündigung nach sich
- Beweislose Behauptung: Wer als Arbeitsgeber Leistungsverweigerung im Homeoffice beklagt, muss dies belegen können
- Bloßstellung, Erniedrigung, Demütigung: Unternehmensinterne Weiterleitung intimer Abbildungen von Kollegen kann teuer werden
- Darlegungs- und Beweislast: Wenn Kündigungsfrist und Arbeitsunfähigkeit zusammenfallen
- Verletztes Auskunftsverlangen: Bloßer Verstoß gegen DSGVO begründet noch keinen Entschädigungsanspruch
Wie wenig Arbeitsleistung ist ausreichend genug, um nicht gekündigt zu werden? Die Angestellten, die hier gegen ihre Kündigung vor das Arbeitsgericht Bremen (ArbG) zogen, waren sich offensichtlich keiner Schuld bewusst. Wohl gaben sie zu, zwar nicht gut “performt”, dabei aber nicht wirklich ihren Arbeitgeber betrogen zu haben. Schützt ein solches Zugeständnis schlechter Leistung etwa vor Kündigung?
Den zwei Beschäftigten des Bürgertelefons warf ihr Arbeitgeber vor, in der Zeit von März bis Mai 2023 Telefonanrufe nur in besonders geringem Maß entgegengenommen zu haben. Der Arbeitgeber kündigte den beiden Beschäftigten fristlos wegen eines Arbeitszeitbetrugs. Gegen die Kündigung legten die beiden Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage ein und beriefen sich auf eine Schlechtleistung: Sie hätten allenfalls unterdurchschnittliche Leistungen erbracht. Einen Arbeitszeitbetrug wollen sie nicht begangen haben.
Das sah das ArbG allerdings anders und hielt die fristlosen Kündigungen für wirksam. Das begründete das Gericht damit, dass die Beschäftigten ihren Telefondienst in einem Umfang geleistet hatten, der auf eine vorsätzliche vertragswidrige Vernachlässigung der Arbeitspflicht schließen ließ. Diese sei durch eine bloße Minderleistung nicht erklärbar. Das Gericht legte konkret dar, dass Telefonzeiten im Umfang von 60 % der dienstplanmäßigen Arbeitszeit an einem Tag veranschlagt gewesen seien. Die Beschäftigten hätten an den überprüften Tagen nur 30 % bis 35 % bzw. zwischen 16 % und 33 % der Zeit telefoniert.
Hinweis: Das ArbG räumte ein, dass die Auswertung zur Leistungs- und Verhaltenskontrolle von Beschäftigten untersagt ist. Hier jedoch hatte der Personalrat der Auswertung allerdings zuvor zugestimmt. Das Gericht entschied nicht darüber, ob die Daten rechtswidrig gewonnen waren oder nicht. Es berief sich insoweit auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, nach der Daten, die vorsätzlich vertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers belegen sollen, selbst dann verwertbar sind, wenn die Gewinnung der Daten nicht vollständig im Einklang mit den Vorgaben des Datenschutzrechts steht.
Quelle: ArbG Bremen, Urt. v. 14.12.2023 – 2 Ca 2206/23 und 2 Ca 2207/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)
Seit der Corona-Pandemie ist das Thema Homeoffice in aller Munde. Doch was passiert, wenn das Homeoffice zu spürbarem Leistungsabfall führt, so wie es viele Arbeitgeber bereits befürchtet hatten? Im Fall des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (LAG) ist die Sache klar: Eine Behauptung muss nach wie vor zuerst bewiesen werden, bevor auf deren Basis Konsequenzen folgen.
Eine seit Ende 2021 in einer Pflegeeinrichtung beschäftigte Arbeitnehmerin sollte das Qualitätshandbuch und andere für das Pflegemanagement erforderliche Unterlagen überarbeiten. Laut Arbeitszeiterfassung verbrachte die Beschäftigte von insgesamt 720 Arbeitsstunden ganze 300 Stunden im Homeoffice. Im Anschluss erkrankte sie für einen längeren Zeitraum. Der Arbeitgeber kündigte ihr deshalb noch während der Probezeit. Für die letzten beiden Monate zahlte er der Mitarbeiterin nichts mehr und verlangte sogar die Rückzahlung von etwa 7.000 EUR brutto für die 300 Arbeitsstunden im Homeoffice. Er erklärte die Aufrechnung gegen die noch offenen Gehaltsansprüche. Seine Begründung: Der Mitarbeiterin stehe keine Vergütung für die Homeofficestunden zu. Schließlich habe sie hierzu keine objektivierbaren Nachweise vorgelegt. Die Arbeitnehmerin klage daraufhin das Geld ein.
Das LAG war der Auffassung, dass der Arbeitgeber die einbehaltene Vergütung nachzuzahlen und keinen Anspruch auf eine Rückzahlung hat. Die Arbeitnehmerin hatte während der Arbeit im Homeoffice zumindest teilweise gearbeitet. Das ergab sich aus diversen E‑Mails, in denen sie überarbeitete Verfahrensanweisungen an ihre Kollegen geschickt hatte. Hinzu kam, dass der Arbeitgeber nach Ansicht des Gerichts nur pauschal in den Raum gestellt hatte, dass die Arbeitnehmerin im Homeoffice nicht gearbeitet habe – einen entsprechenden Beweis konnte er nicht erbringen.
Hinweis: Dass die Beschäftigte eventuell zu langsam gearbeitet hatte, spielte hier keine Rolle. Denn Arbeitnehmer sind grundsätzlich nur verpflichtet, unter angemessener Ausschöpfung ihrer Leistungsfähigkeit zu arbeiten.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 28.09.2023 – 5 Sa 15/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)
Mit Kollegen verhält es sich wie mit Nachbarn – man kann sie sich nicht aussuchen und ist doch fast täglich mit ihnen befasst. Doch Vorsicht vor unüberlegtem Handeln, vor allem, wenn es das Gegenüber am Schreibtisch in seiner Menschenwürde und den Persönlichkeitsrechten verletzt. Denn sonst kann einen das teuer zu stehen kommen, wie im Fall des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz (LAG).
Ein kaufmännischer Angestellter teilte sich das Büro mit einer Kollegin. Nachdem es zu Streitigkeiten zwischen den beiden gekommen war, leitete die Arbeitnehmerin intime Fotos ihres Arbeitskollegen an eine andere Kollegin weiter – genauer gesagt Video-Screenshots mit erotischem oder teilweise pornografischem Inhalt. Die Bilder hatte die Beschäftigte über eine Facebook-Gruppe erhalten, in der sie und ihr Kollege Mitglieder waren. Der Arbeitnehmer wollte das verständlicherweise nicht hinnehmen, zog gegen seine Kollegin vor das Arbeitsgericht und verlangte Schadensersatz.
Das LAG sprach dem Arbeitnehmer einen Schadensersatzanspruch von 3.000 EUR zu. Durch das Weiterleiten intimer, erotischer oder sogar pornografischer Fotos an Kollegen oder Dritte ohne Zustimmung der abgebildeten Person wird deren Persönlichkeitsrecht verletzt. Das Gericht stellte klar, dass sich der Entschädigungsanspruch aus dem Grundrecht auf Menschenwürde und den Persönlichkeitsrechten ergebe. Das Gericht wies in seiner Entscheidung zudem darauf hin, dass ein hierauf gestützter Entschädigungsanspruch einen schwerwiegenden Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht voraussetze. Es komme auch nicht darauf an, wann ein solcher gegeben sei und wann nicht, sondern vielmehr auf eine Gesamtbetrachtung im jeweiligen Einzelfall. Hier hielt das Gericht den Anspruch für gegeben und bestätigte vor allem den bloßstellenden, erniedrigenden und demütigenden Charakter der Übersendung der Fotos zu Lasten des Arbeitnehmers.
Hinweis: Ein derartiges Verhalten kann übrigens auch arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Der Arbeitgeber kann hier durchaus eine fristlose Kündigung in Betracht ziehen.
Quelle: LAG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 08.08.2023 – 8 Sa 332/22
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits vor Längerem entschieden, dass das Zusammenfallen einer Kündigung mit der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ernsthafte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit begründet. Nun gibt es dazu einen neuen Fall, in dem der Arbeitnehmer bereits vor Zugang der Kündigung erkrankt war.
Ein Arbeitnehmer war als Helfer beschäftigt. Am 02.05.2022 legte er eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bis zum 06.05.2022 vor. Mit Schreiben vom 02.05.2022, das dem Arbeitnehmer am 03.05.2022 zuging, kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31.05.2022. Der Arbeitnehmer legte daraufhin Folgebescheinigungen vom 06.05.2022 bis zum 31.05.2022 vor. Ab dem 01.06.2022 war der Arbeitnehmer wieder arbeitsfähig und nahm direkt eine neue Beschäftigung auf. Der Arbeitgeber verweigerte daraufhin die Entgeltfortzahlung mit der Begründung, der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen sei erschüttert. Der Arbeitnehmer erwiderte, die Arbeitsunfähigkeit habe bereits vor dem Zugang der Kündigung bestanden. Während das zunächst zuständige Landesarbeitsgericht (LAG) dem Arbeitnehmer Recht gab, sah es das BAG anders.
Das LAG habe zwar richtigerweise erkannt, dass der Beweiswert der ersten Krankschreibung nicht erschüttert ist, weil kein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit und dem Zugang der Kündigung gegeben sei. Hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ab dem 06.05.2022 sei der Beweiswert dagegen erschüttert. Es bestünde nämlich gerade der zeitliche Zusammenhang – und zwar aufgrund der passgenauen Verlängerung der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende der Kündigungsfrist. Der Arbeitnehmer habe zudem unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufgenommen.
Hinweis: Die Entscheidung des BAG hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer nunmehr für die Zeit vom 07.05. bis zum 31.05.2022 die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für den Entgeltfortzahlungsanspruch trägt. Der elektronische “gelbe Schein” reicht nicht mehr aus.
Quelle: BAG, Urt. v. 13.12.2023 – 5 AZR 137/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)
Arbeitnehmer haben nach Art. 15 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ein Recht darauf, von ihrem Arbeitgeber zu erfahren, ob und, wenn ja, zu welchem Zweck und in welchem Umfang er Daten von ihnen verarbeitet. Erteilt der Arbeitgeber eine entsprechende Auskunft nicht, kann der Arbeitnehmer Schadensersatz fordern, wie im folgenden Fall vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf (LAG).
Ein Arbeitnehmer war für einen Monat bis Ende 2016 bei einem Unternehmen beschäftigt. Etwa vier Jahre später forderte er von seinem ehemaligen Arbeitgeber eine Auskunft nach Art. 15 DSGVO hinsichtlich seiner personenbezogenen Daten. Die entsprechende Auskunft wurde ihm erteilt. Dann verlangte er gut zwei Jahre später im Oktober 2022 einen Antrag auf Auskunft sowie eine Datenkopie. Der Arbeitgeber ließ mehrere Fristen verstreichen und antwortete zunächst unvollständig. Erst nach mehreren weiteren Aufforderungen erteilte er eine vollständige Auskunft. Der Arbeitnehmer klagte und verlangte eine Geldentschädigung, die allerdings nicht niedriger als 2.000 EUR sein sollte. Sein Verlangen begründete er damit, dass sein Auskunftsverlangen mehrfach verletzt worden sei.
Das LAG wies die Klage zwar ab, stellte aber dennoch klar, dass der Arbeitgeber gegen die DSGVO verstoßen hatte. Das führte jedoch nicht dazu, dass der ehemalige Arbeitnehmer einen Anspruch auf eine Geldentschädigung nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO habe. Die Richter meinten, dass ein bloßer Verstoß gegen die Vorschriften der DSGVO nicht ausreiche, um eine Geldentschädigung wegen eines immateriellen Schadens auszulösen.
Hinweis: Eine Entschädigung für einen immateriellen Schaden, zum Beispiel ein nicht erteiltes Auskunftsrecht, setzt voraus, dass die betroffenen Arbeitnehmer darlegen können, einen Schaden erlitten zu haben. Gelingt ihnen das, hat der Arbeitgeber in der Regel zu zahlen. Arbeitgeber sollten also stets geltend gemachte Ansprüche nach der DSGVO ernst nehmen.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 28.11.2023 – 3 Sa 285/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 03/2024)