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Zum Thema Arbeitsrecht
- Abfindung nach Jobverlust: Kein zusätzlicher Schonbetrag für Begleichung von Außenständen
- Arbeitsvertrag mit Ligaklausel: Vereinsstempel als Ersatz für zweite Unterschrift erfüllt Schriftform nicht
- Mutterschutz und Kündigungsverbot: Der gesetzliche Schutz gilt nur bei Einhaltung der terminlich korrekten Reihenfolge
- Ohne Betriebsratsbeschluss: Einzelne Betriebsratsmitglieder dürfen personalisierte E‑Mail-Adressen einfordern
- Rechtlich unwirksam: Kein Verzicht auf Urlaub durch gerichtlichen Vergleich
Prozesskostenhilfe (PKH) soll es Menschen ohne eigene finanzielle Mittel ermöglichen, ihr Recht einzufordern und vor Gericht zu erstreiten. Da gerichtliche Erfolge oftmals auch Geldzahlungen zur Folge haben, bleibt dann die Frage, wie viel der Hilfe zurückerstattet werden muss. Das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) hat dies anhand einer Abfindung, die in einem Kündigungsschutzprozess eingeklagt wurde, vorgerechnet.
Der Kläger war ledig, hatte ein Kind und bekam PKH für ein Kündigungsschutzverfahren, das im Februar 2023 begann. Das Verfahren endete mit einem Vergleich, mit dem der Kläger eine Abfindung von 20.000 EUR brutto erhielt. Das Arbeitsgericht bewertete den Streitwert auf über 27.000 EUR und setzte auf dieser Basis auch die Anwaltsvergütung fest. Später verlangte das Gericht vom Kläger Nachweise über die erhaltene Abfindung. Da der Kläger keine Unterlagen vorlegte, berechnete das Gericht überschlägig, dass er 10.500 EUR aus der Abfindung als Vermögen habe, von dem er 4.742 EUR für die Prozesskosten zahlen müsse. Der Kläger legte Beschwerde ein und gab an, die Abfindung bereits verbraucht zu haben, um Außenstände zu begleichen. Das Arbeitsgericht senkte daraufhin den zu begleichenden Betrag auf 4.340 EUR.
Das LAG bestätigte diese Entscheidung und wies die Beschwerde ab, erlaubte aber die Revision zum Bundesarbeitsgericht. Das Gericht entschied, dass von der Abfindung ein Schonvermögen von 10.000 EUR abgezogen werden müsse, was durch eine Verordnung zum Sozialgesetzbuch geregelt sei. Zusätzlich werde für das Kind ein weiterer Schonbetrag von 500 EUR berücksichtigt. Ein weiterer Freibetrag für typische Kosten, die durch den Jobverlust entstehen können – wie Bewerbungen, Fahrten oder Umzüge -, wird seit einer Gesetzesänderung Anfang 2023 nicht mehr gewährt. Frühere Gerichte hatten noch einen zusätzlichen Schonbetrag zuerkannt, da sie solche Kosten für üblich hielten. Doch durch die Erhöhung des Schonvermögens auf 10.000 EUR entfalle dieser zusätzliche Freibetrag. Damit bleibt ein großer Teil der Abfindung als Vermögen anzurechnen, der für Prozesskosten eingesetzt werden kann.
Hinweis: Bei PKH zählt eine Abfindung grundsätzlich als Vermögen. Das Gesetz schützt zwar einen bestimmten Freibetrag, aber selbst typische Kosten nach Jobverlust werden seit 2023 nicht mehr extra berücksichtigt. Wer eine Abfindung erhält, sollte daher vorsichtig sein, wie er sie verwendet.
Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 06.05.2025 – 13 Ta 344/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Der alte Satz “Wer schreibt, der bleibt” bewahrheitet sich meist im Streitfall vor den Gerichten – so auch im Fall des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG). Hier ging es um die Einhaltung der sogenannten Schriftform bei Arbeitsverträgen. Wie wichtig diese Einhaltung ist – vor allem bezüglich Sonderklauseln wie der Ligaklausel -, zeigt der Umstand, dass das Fehlen einer von zwei Unterschriften das schriftliche Gesamtwerk schnell zunichte machen kann.
Der Kläger war seit Juli 2022 Trainer der ersten Handballherrenmannschaft eines Bundesligisten. Er arbeitete bei einer GmbH, die den Spielbetrieb der Mannschaft organisierte. Sein Arbeitsvertrag enthielt eine Ligaklausel, die besagte, dass der auf vier Jahre befristete Vertrag nur für die erste Handballbundesliga gelte und bei Abstieg oder Lizenzverlust ende. Auf dem Vertrag gab es zwei Unterschriftsfelder für die beiden Geschäftsführer der GmbH, die jeweils einzeln vertretungsberechtigt sind. Unterschrieben wurde der Vertrag aber nur von einem Geschäftsführer; das zweite Unterschriftsfeld blieb leer. Neben der Unterschrift war ein Vereinsstempel gesetzt. Dann kam Pech dazu: In der Saison 2023/24 stieg die Mannschaft ab und die GmbH erklärte daraufhin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2024 wegen der Ligaklausel. Der Trainer klagte dagegen.
Das Arbeitsgericht gab dem Trainer recht, und auch das LAG bestätigte diese Entscheidung. Das Gericht entschied, dass die Ligaklausel unwirksam war, weil sie nicht schriftlich im Sinne des Gesetzes vereinbart wurde. Nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz muss eine solche Klausel klar und vollständig schriftlich fixiert sein. Das Formular mit zwei Unterschriftsfeldern deutete darauf hin, dass beide Geschäftsführer unterschreiben müssen. Die fehlende Unterschrift des zweiten Geschäftsführers ließ den Vertrag unvollständig erscheinen. Selbst der Umstand, dass die beiden Geschäftsführer jeweils auch einzeln vertretungsberechtigt waren, spielte hierbei keine Rolle – denn Schriftform und Vertretungsbefugnis sind getrennt voneinander zu betrachten. Es fehlte außerdem ein Hinweis darauf, dass der eine Geschäftsführer allein handeln wollte. Der Vereinsstempel neben der Unterschrift konnte den Mangel nicht ausgleichen. Deshalb hielt das Gericht den Vertrag mit der Ligaklausel für unwirksam. Das Arbeitsverhältnis endete nicht automatisch mit dem Abstieg.
Hinweis: Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wurde zugelassen. Bei Arbeitsverträgen mit besonderen Klauseln muss die Schriftform strikt eingehalten werden. Fehlende Unterschriften können zur Unwirksamkeit führen. Eine Unterschrift allein reicht nicht immer aus, auch wenn mehrere Vertreter einzeln unterschreiben könnten.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 27.05.2025 – 3 SLa 614/24
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(aus: Ausgabe 08/2025)
Schwanger, nicht schwanger, schwanger? Frauen mit einem dringenden Kinderwunsch stehen oft vor vielen Herausforderungen, bevor sie Mütter werden können. Auch ihren Arbeitgebern gegenüber haben sie Dinge zu berücksichtigen, damit der gesetzliche Schutz werdender Mütter greift. Hier musste sich das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) damit beschäftigen, ab wann was gilt und wann die Schwangere über die Schwangerschaft informieren muss.
Eine junge Frau arbeitete in einer Kleintierarztpraxis. Sie war seit 2019 dort angestellt und kündigte im Juli 2023 eine Schwangerschaft an. Kurz darauf erhielt sie eine Kündigung vom Arbeitgeber. Die Frau klagte dagegen an und meinte, dass die Kündigung wegen Mutterschutzes ungültig sei. Sie war der Ansicht, dass das Kündigungsverbot schon ab 280 Tagen vor dem errechneten Geburtstermin galt und sie den Arbeitgeber rechtzeitig informiert habe. Der Arbeitgeber widersprach und erklärte, er habe erst später von der Schwangerschaft erfahren. Denn die Frau hatte zwischenzeitlich erklärt, doch nicht schwanger zu sein. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Frau legte Berufung ein, doch auch das LAG bestätigte die Entscheidung.
Das LAG erklärte, dass das Kündigungsverbot 280 Tage tatsächlich vor dem errechneten Geburtstermin beginne – so, wie es das Bundesarbeitsgericht festgelegt habe. Wichtig sei dabei jedoch, dass die Schwangere den Arbeitgeber über eine wirkliche, aktuelle Schwangerschaft informiere. Eine Mitteilung über eine frühere oder womöglich kurz bevorstehende Schwangerschaft reiche nicht aus. Im vorliegenden Fall hatte der Arbeitgeber erst im September 2023 ein ärztliches Attest über die Schwangerschaft erhalten. Zu dem Zeitpunkt der Kündigung – zwei Monate zuvor – wusste er davon nichts. Auch die Nachrichten der Frau per WhatsApp im Juli 2023 an den Arbeitgeber über positive (und danach behauptet negative) Schwangerschaftstests waren nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend, da diese nicht die spätere Geburtsterminschwangerschaft betrafen. Daher war die Kündigung wirksam: Der Arbeitgeber hatte zum Kündigungszeitpunkt schlichtweg keinerlei Kenntnis von der relevanten Schwangerschaft. Zudem wurde die Kündigungsschutzklage seitens der Klägerin nicht rechtzeitig eingereicht.
Hinweis: Das Kündigungsverbot im Mutterschutz beginnt 280 Tage vor dem errechneten Geburtstermin. Der Arbeitgeber muss von der konkreten Schwangerschaft rechtzeitig und ebenso konkret erfahren haben, um im Kündigungsfall entsprechend belangt zu werden. Denn nur dann gilt der besondere Schutz vor Kündigung.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 17.04.2025 – 6 SLa 542/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Betriebsratsmitglieder arbeiteten ohne personalisierte E‑Mail-Adressen. Erst das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) konnte final die Antwort auf die Frage liefern, ob der Anspruch der Betriebsratsmitglieder, dies zu ändern, auch ohne einen Beschluss des gesamten Betriebsrats durchsetzbar ist.
Die Arbeitgeberin betreibt zahlreiche Supermärkte in Deutschland. Die Betriebsratsmitglieder konnten eine gemeinsame E‑Mail-Adresse nutzen, die zur Unternehmensdomain gehörte. Individuelle E‑Mail-Adressen, die auch Mails an und von externen Adressen ermöglichen, stellte die Arbeitgeberin nur einigen freigestellten Betriebsratsmitgliedern und anderen ausgewählten Mitarbeitern zur Verfügung. Die Antragsteller forderten als Mitglieder des Betriebsrats ebenfalls personalisierte E‑Mail-Adressen, um ihre Arbeit besser erledigen zu können. Ein Beschluss des gesamten Betriebsrats lag dazu nicht vor, da die Antragsteller meinten, sie handelten eigenverantwortlich. Das Arbeitsgericht wies den Antrag zurück, weil nur der Betriebsrat als Gremium Ansprüche auf Sachmittel habe und die erweiterten E‑Mail-Adressen nicht notwendig seien.
Das LAG änderte diese Entscheidung. Es stellte fest, dass einzelne Betriebsratsmitglieder durchaus eigene Rechte auf Sachmittel nach § 40 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz hätten, sofern diese für ihre Arbeit notwendig seien. Ein Beschluss des gesamten Betriebsrats sei nicht immer erforderlich, wenn einzelne Mitglieder eigenständig handelten. Die personalisierten E‑Mail-Adressen, die auch eine Kommunikation außerhalb der Unternehmensdomain ermöglichen, seien in diesem Fall nötig, um die betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben wahrzunehmen. Die Idee, dass Ansprüche auf Sachmittel immer nur dem gesamten Betriebsrat zustünden, wies das LAG zurück. Es wäre nicht sinnvoll, wenn einzelne Mitglieder erst gegen den Betriebsrat klagen müssten, um einen positiven Beschluss zu erzwingen, bevor der Arbeitgeber die Sachmittel bereitstelle.
Hinweis: Betriebsratsmitglieder können also auch ohne entsprechenden Betriebsratsbeschluss eigene Ansprüche auf Arbeitsmittel haben – so auch auf E‑Mail-Adressen, die auch den Kontakt außerhalb der Firma erlauben.
Quelle: LAG Niedersachsen, Beschl. v. 25.04.2025 – 17 TaBV 62/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Nicht genommene Urlaubstage sind nach Kündigungen oft Thema vor den Arbeitsgerichten. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich mit der Frage, ob ein Arbeitnehmer quasi vorab mit einem Vergleich auf seinen gesetzlichen Mindesturlaub verzichten kann oder dieser erst bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden darf.
Der Kläger war von 2019 bis April 2023 als Betriebsleiter beschäftigt. Im Jahr 2023 war er durchgehend krankgeschrieben und konnte daher auch seinen Urlaub nicht in Anspruch nehmen. Im März 2023 einigten sich Kläger und Arbeitgeber vor Gericht auf einen Vergleich. Darin wurde das Arbeitsverhältnis zum 30.04.2023 gegen Zahlung einer Abfindung beendet. In dem Vergleich stand, die Urlaubsansprüche seien “in natura gewährt”. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers hatte zuvor darauf hingewiesen, dass der gesetzliche Mindesturlaub gar nicht wirksam ausgeschlossen werden könne, stimmte dem Vergleich aber trotzdem zu. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses verlangte der ehemalige Betriebsleiter, wie durch seine Anwältin bereits angedeutet, vom Arbeitgeber die Auszahlung von sieben Urlaubstagen aus dem Jahr 2023.
Sowohl die Vorinstanzen als auch das BAG gaben ihm Recht und wiesen die Revision des Arbeitgebers zurück. Das Gericht entschied, dass der Anspruch auf bezahlten Mindesturlaub nicht durch den Vergleich weggefallen war. Ein Verzicht darauf sei rechtlich unwirksam. Auch wenn der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden konnte, darf der gesetzliche Mindesturlaub weder vorab ausgeschlossen noch durch eine Zahlung ersetzt werden. Das gilt selbst dann, wenn bei Abschluss des Vergleichs schon klar war, dass der Urlaub gar nicht mehr genommen werden könne. Das BAG bestätigte, dass der gesetzliche Mindesturlaub geschützt ist und nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden darf. Ein “Verzicht” auf diesen Urlaub zu Prozesszeiten ist nicht möglich. Der Teil des Vergleichs, der das anders regeln wollte, war daher nicht gültig. Der Einwand des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer dürfe sich nicht auf die Unwirksamkeit berufen, wurde zurückgewiesen, weil eine offensichtlich unzulässige Regelung schlichtweg nicht gelten kann.
Hinweis: Der gesetzliche Mindesturlaub ist ein besonders geschütztes Recht. Selbst bei Krankheit und Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann man nicht einfach darauf verzichten. Urlaub muss entweder genommen oder am Ende ausbezahlt werden.
Quelle: BAG, Urt. v. 03.06.2025 – 9 AZR 104/24
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(aus: Ausgabe 08/2025)
Zum Thema Familienrecht
- “Mussbeteiligte”: Wer Pflichten auferlegt bekommt, muss am Umgangsverfahren beteiligt werden
- Elternunterhalt: Sozialhilfeträger erstreitet vor dem BGH Rückzahlung von Pflegekosten
- Gütertrennung: Zugewinnausschluss in Unternehmerehe ist möglich
- Prozesskostenhilfe: Kein Vaterschaftsfeststellungsverfahren ohne Anwalt
- Umgangsrecht: Sachverständige haften nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit
Wenn das Umgangsrecht von Kindern gerichtlich geregelt werden soll, sind alle Beteiligten anzuhören. Und mit “alle” sind auch alle gemeint. Sind etwa zwei Personen betroffen, dann reicht es nicht, wenn nur eine am Verfahren beteiligt wird. Denn dass sonst das, was beschlossen wird, keinerlei Gültigkeit besitzt, zeigt dieser Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (OLG).
Nachdem die Eltern sich getrennt hatten, lebten die Kinder (zehn und zwölf Jahre alt) erst bei der Mutter, dann beim Vater. Als der Vater jedoch später inhaftiert wurde, kam das ältere Kind zum Urgroßvater und das jüngere zu den Großeltern mütterlicherseits. Die Großeltern beantragten am 07.05.2024 die Übertragung der Vormundschaft für beide Kinder auf sich. Im Umgangsverfahren wurden die Großmutter und der Urgroßvater als Beteiligte angehört – der Großvater jedoch nicht. Mit Beschluss, der der Großmutter am 18.01.2025 zugestellt wurde, wurde daraufhin geregelt, dass der Vater den älteren Sohn jeden zweiten, den jüngeren jeden dritten Samstag im Monat sehen dürfe. Beide Großeltern wurden verpflichtet, die beiden Kinder jeweils zum Übergabetreffpunkt zu bringen und dort wieder abzuholen. Die Großeltern legten Beschwerde gegen diese Entscheidung ein. Die Regelung sei ihnen finanziell und logistisch unzumutbar.
Das OLG verwies die Sache zur nochmaligen Entscheidung an die Vorinstanz zurück, denn der Großvater hätte am Verfahren beteiligt werden müssen. Die Sache wurde daher fehlerhaft entschieden. Pflegepersonen des Kindes sind regelmäßig Mussbeteiligte, wenn das Familiengericht ihnen im Rahmen einer Umgangsregelung Pflichten auferlegen will. Hier wurde der Großvater schließlich mit den Pflichten “Bringen und Abholen” belastet. Die unterlassene Beteiligung des Großvaters sei zudem ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz des § 26 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Das Gericht sei hier ohne weitere Sachprüfung einfach davon ausgegangen, dass der Großvater allen Pflichten Folge leisten könne und werde.
Hinweis: Wenn das Gericht Pflichten auferlegen will, muss sichergestellt sein, dass der Verpflichtete diese auch erfüllen kann. Das muss das Gericht ermitteln – tut es das nicht, kann und sollte Beschwerde gegen die Entscheidung einlegt werden.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.03.2025 – 6 UF 27/25
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Werden Eltern bedürftig, schulden ihnen die Kinder Unterhalt. Trotzdem können die Eltern auch staatliche Hilfen beziehen. Springen Sozialhilfeträger ein, gehen die Unterhaltsansprüche gegen die Kinder auf den Staat über – außer, das unterhaltspflichtige Kind hat ein Jahreseinkommen von maximal 100.000 EUR. Ein Sohn, dessen Einkommen knapp darüber lag, zog dagegen bis vor den Bundesgerichtshof (BGH).
Eine 1937 geborene Mutter bezog in der Zeit von Januar bis Dezember 2020 Hilfe zur Pflege nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch von insgesamt rd. 7.000 EUR. Der Träger verlangte diesen Betrag vom Sohn der Mutter. Der Sohn verdiente im Jahr rund 118.000 EUR, also monatlich rund 5.800 EUR netto. Seine Ehefrau verdiente ebenfalls so viel. Mit der Tochter lebte man im abbezahlten und unbelasteten Einfamilienhaus. Die zwei anderen Kinder der Mutter wurden nicht auf Unterhalt in Anspruch genommen. Der Sozialhilfeträger klagte gegen den Sohn. Vor dem Amtsgericht bekam dieser noch Recht, vor dem Oberlandesgericht verhielt es sich umgekehrt, dieses entschied für den Träger. Und vor dem BGH?
Auch vor dem BGH gewann der Sozialhilfeträger. Daran ändert auch das am 01.01.2020 inkraftgetretene Angehörigen-Entlastungsgesetz nichts. Danach darf kein Rückgriff mehr bei Kindern genommen werden, die lediglich ein Jahreseinkommen bis zu 100.000 EUR haben. Dieser Ausschluss bedeute aber nicht, dass die Kinder zivilrechtlich nicht unterhaltsverpflichtet wären. Nur der Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger wird ausgeschlossen, nicht aber der Unterhaltsanspruch der Eltern gegen ihr Kind. Daran gemessen konnte der Sohn zur Rückzahlung herangezogen werden, und der muss nun 6.200 EUR an den Sozialhilfeträger bezahlen.
Hinweis: Kinder, die über 100.000 EUR Jahreseinkommen haben, sind also bei dem Rückgriff durch die Sozialhilfeträger besonders “gefährdet”. Sie sollten verstärkt darauf achten, dass bei der Berechnung des Rückgriffs ihr angemessener Selbstbehalt korrekt berechnet wird. Nur so kann sichergestellt werden, dass sie im Endeffekt nicht zu viel bezahlen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 07.05.2025 – XII ZB 563/24
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(aus: Ausgabe 08/2025)
Ein Ehevertrag ist keine Seltenheit mehr, um im Scheidungsfall einen eventuellen Zugewinn zu schützen. Dieser Schutz steht Eheleuten auch in Unternehmerehen zu. Denn hier geht es oft um den Bestand des gesamten Unternehmens, dem manches Mal sonst eine Zerschlagung drohen könnte. Ob der Zugewinnausgleich im folgenden Fall allerdings wirksam ausgeschlossen worden war, konnte erst der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Eine Unternehmensberaterin und ein Gesellschafter von verschiedenen Unternehmen seiner Familie heirateten. Sie vereinbarten Gütertrennung unter Ausschluss des Zugewinnausgleichs sowie des gesetzlichen Erb- und Pflichtteilsrechts. Dabei orientierten sie sich an den Gesellschaftsverträgen. Nach zehn Jahren Ehe und drei Kindern ließen sich die Eheleute scheiden. Die Frau war abgesichert, denn ab einer Dauer von vier Ehejahren stand ihr eine monatliche Versorgung von 5.000 EUR zu, der Zugewinnausgleich war wirksam ausgeschlossen worden. Dennoch machte sie im Scheidungsprozess einen Zugewinnausgleichsanspruch geltend. Der Ausschluss im Ehevertrag sei unwirksam, da er einseitig zu ihren Lasten ginge und damit sittenwidrig sei. Damit drang sie vor dem BGH aber nicht durch.
Unternehmerische Interessen können legitime Beweggründe für eine Gütertrennung sein. Insbesondere bei sogenannten Unternehmerehen kommt dem Vermögensschutz ein hoher Stellenwert zu. Auch hat sich die Frau bei Vertragsschluss nicht in einer schwächeren Position befunden; sie war bereits studierte Betriebswirtin und konnte die finanzielle Tragweite des Ausschlusses also überblicken. Sie wurde bei Vertragsschluss – salopp gesagt – nicht über den Tisch gezogen. Sie war bei den Vertragsverhandlungen sogar anwaltlich vertreten worden. Der Ausschluss des Zugewinns war in Augen des BGH also wirksam erfolgt.
Hinweis: In Unternehmerehen kann der Zugewinnausgleich wirksam ausgeschlossen werden. Das unterliegt der Vertragsfreiheit. Es darf dabei aber keine Zwangslage oder Schwäche ausgenutzt werden, was den Ausschluss sittenwidrig machen würde.
Quelle: BGH, Beschl. v. 28.05.2025 – XII ZB 395/24
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(aus: Ausgabe 08/2025)
Auch finanziell schwache Familien oder Personen müssen ihr Recht gerichtlich durchsetzen können. Dafür können sie Prozesskostenhilfe (im Familienrecht: Verfahrenskostenhilfe – VKH) beantragen, und ein Rechtsbeistand kann beigeordnet werden – sofern es die Sach- und Rechtslage erfordern. Ob eine Vaterschaftsfeststellung ein solches Erfordernis darstellt, musste das Oberlandesgericht Hamburg (OLG) klären.
Ein minderjähriges Kind wurde vor Gericht durch das Jugendamt als Beistand vertreten. Das Jugendamt hat seinerseits einem Antrag auf Feststellung der Vaterschaft eines Mannes eingereicht. Dieser habe in der sogenannten “gesetzlichen Empfängniszeit” mit der Mutter des Kindes geschlechtlich verkehrt. Der Mann gab jedoch an, im Empfängniszeitraum nicht mit der Mutter verkehrt und zuvor im Iran eine Vasektomie durchgeführt zu haben. Die Mutter hatte noch einen weiteren Sexpartner, dieser ließ sich aber nicht ermitteln. Die Mutter beantragte die Bewilligung von VKH unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten für sich. VKH erhielt sie zwar, einen Anwalt jedoch nicht. Die Sache sei für sie schließlich einfach, die Mutterschaft stehe ja fest. Eine Beiordnung sei also nicht erforderlich. Die Mutter legte Beschwerde ein.
Das OLG legte dar, dass ein Anwalt dann auf Antrag beigeordnet wird, wenn wegen schwieriger Sach- und Rechtslage die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Ob das der Fall ist, bestimmt sich auch nach den subjektiven Fähigkeiten des betroffenen Beteiligten. Bei einem Vaterschaftsanfechtungsverfahren sei hingegen für alle Beteiligten regelmäßig eine Anwaltsbeiordnung geboten. Es können schließlich auch Zwangsmaßnahmen gegen den Kindsvater notwendig werden – etwa, um eine Anwesenheit im Termin zur Erörterung vor Gericht zu gewährleisten und eine Abstammungsuntersuchung durchzusetzen. Und all dies kann durchaus für eine schwierige Sach- und Rechtslage sorgen. Daher wurde der Mutter in diesem Fall durch das OLG auch ein Anwalt beigeordnet.
Hinweis: Im Vaterschaftsanerkennungsverfahren kann also von einer besonderen Schwierigkeit ausgegangen werden. Damit ist die Beiordnung eines Anwalts unproblematisch. Nutzen Sie die Beiordnung bei Bedürftigkeit, damit Sie angemessen vertreten sind.
Quelle: OLG Hamburg, Urt. v. 23.06.2025 – 12 WF 31/25
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(aus: Ausgabe 08/2025)
Bei Scheidungen entbrennen bei der Regelung des Umgangsrechts oft regelrechte Schlammschlachten. Wird dafür ein Sachverständiger hinzugezogen und macht dieser in seinem Gutachten Fehler, kann dies zur Haftung des Sachverständigen führen, wenn ihm die Fehler nachgewiesen werden können. Eine solche Bewertung musste das Landgericht Saarbrücken (LG) treffen.
In einem Verfahren sollte ein Sachverständiger in einem Gutachten die Frage beantworten, wie das Umgangsrecht des Vaters mit den beiden gemeinsamen Kindern in Zukunft stattfinden solle. Das Familiengericht bat zur Vorbereitung einer Sitzung darum, das bisherige Ergebnis der Begutachtung vorab schriftlich zusammenzufassen. Dies tat der Gutachter und schilderte in einer Sachstandsmitteilung, dass aufgrund der vorliegenden Datenlage nicht abgeschätzt werden könne, ob und welche Art von psychischem Krankheitsgeschehen bei der Mutter vorliege. Es gäbe aber Hinweise auf eine kindeswohlgefährdende Lebenssituation durch einen möglichen erweiterten Suizid durch die Mutter. Ebenso sprach die Mutter von erlebter häuslicher Gewalt. Der Gutachter konnte diese Angaben aber nicht verifizieren. In der Folge wurde beiden Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder entzogen und der Mutter sogar die Kontaktaufnahme verboten. Schlussendlich leben die Kinder nun beim Vater, nachdem sich Vater und Mutter hierauf einigten. Die Mutter verklagte den Gutachter dennoch auf Schadensersatz von ca. 15.600 EUR für ihr entstandene Sachverständigenkosten und auf ein angemessenes Schmerzensgeld von 75.000 EUR. Sie scheiterte damit aber vor dem LG.
Denn die Eltern führten eine Einigung über den Verbleib der Kinder herbei, noch bevor ein abschließendes Gutachten getroffen wurde. Zudem ließ sich nicht feststellen, dass der Gutachter vorsätzlich oder grob fahrlässig ein unrichtiges Gutachten erstellt hatte. Er hatte nur dargestellt, dass er keine Diagnose stellen und nichts ausschließen kann. Der Gutachter hat seine Einschätzung auf normalerweise verlässliche Kontaktpersonen gestützt. Eine grob fahrlässige Begutachtung scheidet daher aus. Der Mutter standen keine Ersatzansprüche zu.
Hinweis: Gerichtsgutachter können haften, aber nur, wenn sie fehlerhaft handeln. Möchten Sie Ansprüche gegen die Gutachter gelten machen, sind diese Fehler zu benennen und zu belegen.
Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 05.06.2025 – 9 O 229/22
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Zum Thema Sonstiges
- Haft und Schadensersatz: Kein Verjährungsschutz bei vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträgen
- Kein Schmerzensgeld: Auf Friedhöfen muss mit Unebenheiten und kleinen Stolperfallen gerechnet werden
- Ungültige AGB-Klausel: Trotz “Fund” und Rückgabe von 600.000 EUR geht Entrümpelungsfirma leer aus
- Unsichere Anlage empfohlen: Bank vermittelt Kundin falschen Eindruck zur Verlässlichkeit von Immobilienfonds
- Wer zahlt die Tür? Wer die Polizei in die eigene Wohnung ruft und dann nicht öffnet, haftet mit
Das Landgericht Lübeck (LG) musste sich mit der Frage beschäftigen, ob sich ein ehemaliger Geschäftsführer auf Verjährung berufen kann, wenn er Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt hat. Es ging um eine gesetzliche Krankenkasse, die Schadensersatz verlangte, den die Deutsche Rentenversicherung (DRV) für sie geltend machte. Dass der Mann für seine 41fache Veruntreuung der Sozialleistungen sogar ins Gefängnis musste, half ihm bei der Nachforderung nichts.
Der Geschäftsführer einer GmbH hatte zwischen 2016 und 2018 mehrere Beschäftigte nicht zur Sozialversicherung gemeldet und dadurch einige fällige Beiträge eingespart. Nachdem das Hauptzollamt den Missstand entdeckt hatte, übernahm die DRV daraufhin die Prüfung. Die DRV stellte im Januar 2020 schließlich fest, wie viele Beiträge fehlten. Im Insolvenzverfahren der GmbH erhielt die Krankenkasse jedoch nur einen geringen Anteil, weshalb sie im September 2022 vom Geschäftsführer persönlich knapp 187.000 EUR Schadensersatz für das Jahr 2016 einforderte. Dieser meinte hingegen, die Forderung sei verjährt. Die Klage sei nicht rechtzeitig zugestellt worden, unter der angegebenen Adresse habe er zudem nicht gewohnt.
Das LG sah das anders. Die dreijährige Verjährungsfrist habe erst Ende 2019 zu laufen begonnen – für einen Schaden, der aufgrund der unterbliebenen Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen im Jahr 2016 entstanden war. Hiervon hatte die DRV 2019 Kenntnis erlangt – und eben dies sei entscheidend, nicht etwa die Kenntnisnahme der Krankenkasse. Auch sei die Klage “demnächst” im Sinne des Gesetzes zugestellt worden – die Verzögerung durch die falsche Adresse sei der Klägerin nicht anzulasten. Zudem habe die Klägerin rechtzeitig Gerichtskosten gezahlt und das Verfahren nach der strafrechtlichen Verurteilung des Geschäftsführers – er wurde 2023 wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Sozialversicherungsbeiträgen in 41 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt – wieder aufgenommen. Die Verjährung sei dadurch rechtzeitig gehemmt worden.
Hinweis: Wenn Arbeitgeber Beiträge zur Sozialversicherung nicht abführen, kann das teuer werden – auch noch Jahre später. Entscheidend für die Verjährung ist die Kenntnis der Rentenversicherung, nicht der Krankenkasse. Wer hofft, sich durch Formfehler der Haftung zu entziehen, hat schlechte Karten.
Quelle: LG Lübeck, Urt. v. 25.04.2025 – 10 O 255/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Man pflanzt, zupft und gießt und plötzlich liegt man darnieder? Auf einem Friedhof gut möglich, wenn man nicht auf die naturgemäßen Unebenheiten achtet, die eine solche Ruhestätte nun einmal mit sich bringt. Das Landgericht Köln (LG) musste kürzlich entschieden, ob eine alte Dame nach ihrem Sturz auf einem Friedhof in Bergisch Gladbach dennoch einen berechtigten Anspruch auf Schmerzensgeld hat.
Die 79-Jährige war im Mai 2023 auf einem Friedhof vor einer Grabstelle gestürzt und hatte sich dabei den Oberschenkel gebrochen. Sie meinte, dass ein Betonsockel und Wurzeln durch Regen freigespült worden seien und dadurch eine gefährliche Stolperfalle entstanden sei. Diese Stelle habe sie nicht erkennen können. Die Stadt habe somit ihre Pflicht verletzt, für sichere Wege zu sorgen. Deshalb forderte die Frau 3.300 EUR Schmerzensgeld und klagte. Die Stadt sah das anders: Die Unebenheiten seien durchaus sichtbar gewesen, die Wurzeln hätten maximal eineinhalb Zentimeter aus dem Boden geragt, und auf einem Friedhof hätte die Frau mit derlei Stellen rechnen müssen. Außerdem sei der Unfall nicht auf einem Hauptweg passiert, sondern direkt an der Grabstelle.
Das LG schloss sich dieser Auffassung an und wies die Klage ab. Nach Ansicht des Gerichts hatte die Stadt keine Verkehrssicherungspflicht verletzt. Denn Fotos zeigten, dass die Stelle nicht gefährlich gewesen sei. Selbst auf normalen Gehwegen müsse man kleinere Höhenunterschiede von bis zu zwei Zentimetern hinnehmen – erst recht gelte das auf einem Friedhof. Dort müsse man mit Wurzeln, Bodenunebenheiten oder anderen natürlichen Hindernissen rechnen. Außerdem befand sich die Frau nicht auf einem Weg, sondern an einer Grabstelle. Wer sich dort bewege, müsse besonders aufmerksam sein.
Hinweis: Wer sich auf einem Friedhof bewegt, muss mit kleineren Unebenheiten rechnen. Eine Stadt muss nicht jede Wurzel oder jeden Sockel absichern. Nur bei klar gefährlichen Stellen besteht eine Pflicht, diese zu beseitigen oder zumindest zu kennzeichnen.
Quelle: LG Köln, Urt. v. 14.01.2025 – 5 O 245/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 08/2025)
So mancher Geschäftszweig bringt es mit sich, des Öfteren mit vollen Händen ins Glück zu fassen. In diesem Fall meldete eine Entrümpelungsfirma Anspruch auf einen Teil von über 600.000 EUR Bargeld an, das sie bei einer Wohnungsauflösung gefunden hatte – und zwar 100.000 EUR. Ob dieser stolze Betrag als Finderlohn oder mit Verweis auf eine Klausel der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zu Recht eingefordert wurde, musste das Landgericht Köln (LG) bewerten.
Die Firma aus Bayern hatte die Wohnung einer Frau aufgeräumt, die nach Köln umziehen wollte. In der Wohnung fand das Team in Windelpackungen und anderen Verstecken Bargeld, Schmuck und Münzen. Insgesamt ging es um Werte im sechsstelligen Bereich. Laut AGB der Firma sollten alle Gegenstände in der Wohnung automatisch in ihr Eigentum übergehen, sobald die Arbeit beginnt. Die Firma gab das gefundene Geld aber auf Wunsch des Betreuers der Auftraggeberin an dessen Kollegin heraus. Später verlangte das Unternehmen dann doch noch Geld dafür – als Bezahlung oder wenigstens als Finderlohn.
Das LG sah für diesen Anspruch allerdings keine rechtliche Grundlage. Die Klausel in den AGB war schlichtweg unwirksam, da sie die Auftraggeberin unangemessen benachteiligt hatte. Niemand könne allein durch Vertragsklauseln einfach Eigentum an fremden Sachen erhalten. Das gelte besonders, wenn es um Wertgegenstände gehe, die an schwer zugänglichen Orten versteckt waren und bei einer normalen Wohnungsdurchsicht nicht auffallen konnten. Auch ein Finderlohn sei ausgeschlossen, weil das Geld nicht “verloren” gewesen sei. Die Wohnung und ihre Inhalte hätten weiterhin im dem Besitz der Auftraggeberin gestanden. Damit lag logischerweise auch kein Fund im rechtlichen Sinn vor.
Hinweis: Wertvolle Gegenstände in einer Wohnung gehören nicht automatisch der Entrümpelungsfirma. Wer sie findet, kann nicht ohne weiteres Eigentum oder Finderlohn verlangen. Ein klarer Vertrag oder eine besondere Vereinbarung wären nötig gewesen.
Quelle: LG Köln, Urt. v. 08.05.2025 – 15 O 56/25
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 08/2025)
Geldanlagen werden durch die digitalen Angebote nicht unbedingt einfacher. Da ist es gut, einen versierten Berater an seiner Seite zu wissen. Oder etwa nicht? Das Landgericht Stuttgart (LG) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob eine Bank bei der Empfehlung eines offenen Immobilienfonds ihre Beratungspflicht verletzt habe. Im Mittelpunkt stand die Beratung einer unerfahrenen Anlegerin, die ihr Geld sicher anlegen wollte.
Die Kundin hatte sich Anfang 2023 bei ihrer Bank beraten lassen, wie sie 20.000 EUR investieren solle. Sie wollte das Geld für mehr als fünf Jahre anlegen und erklärte, dass sie gewisse Risiken in Kauf nehmen würde. Die Bank entwickelte daraufhin eine Strategie mit vier Bausteinen: zwei Fonds, ein Zertifikat und ein Festgeld. Unter anderem empfahl die Bank zudem einen offenen Immobilienfonds – und genau hier sah das LG den Fehler. Die Kundin hatte keinerlei Erfahrung mit solchen Fonds. Die Bank hatte ihr jedoch den Eindruck vermittelt, dieser Fonds sei besonders sicher und könne als “sicherer Baustein” im Depot dienen – so wie ein Festgeld. Die Kundin kaufte daraufhin Anteile für 5.000 EUR. Später bemerkte sie, dass der Fonds keineswegs so sicher war, wie sie gedacht hatte. Sie fühlte sich falsch beraten und wollte ihr Geld zurück.
Das LG gab ihr Recht: Die Bank hätte deutlicher erklären müssen, dass ein offener Immobilienfonds kein Ersatz für ein Festgeld ist. Auch, wenn das Produkt als risikoarm eingestuft war, unterlag es dennoch Wertschwankungen. Das Risiko, dass sich der Wert verändert oder dass das Fondsmanagement Fehlentscheidungen trifft, gehörte dazu – das hätte die Bank der Kundin deutlich sagen müssen. Weil die Bank dies versäumt hatte, musste sie der Kundin das Geld erstatten. Einen zusätzlichen Anspruch auf entgangene Zinsen oder Gewinne gab es hingegen nicht, da nicht klar war, in welches andere Produkt die Kundin stattdessen investiert hätte.
Hinweis: Wer sich bei Geldanlagen unsicher ist, sollte vor dem Kauf unbedingt nachfragen, wie sicher ein Produkt wirklich ist. Auch vermeintlich “ruhige” Anlagen wie Immobilienfonds können im Wert schwanken. Banken müssen ehrlich beraten – besonders bei Kunden ohne Vorerfahrung.
Quelle: LG Stuttgart, Urt. v. 15.05.2025 – 12 O 287/24
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(aus: Ausgabe 08/2025)
Wer hat sich nicht schon einmal gefragt, was wäre, wenn sich die Polizei bei einem Einsatz irrt und plötzlich im eigenen Schlafzimmer steht? Was in vielen Filmen für Schmunzler sorgt, war im Folgenden weder Irrtum noch witzig. Das Landgericht Köln (LG) musste im hier behandelten Fall entschieden, ob Mieter für die Schäden an der Wohnungstür haften können, die sie durch ihr Verhalten und den damit verbundenen Polizeieinsatz mitverursacht haben.
Ein Bauträger hatte eine Wohnung an eine Käuferin verkauft, die sie dann weitervermietete. Eben jener Mieter wohnte dort mit seinem Ehemann, als es im Juni 2021 zu einem heftigen Streit in den vier Wänden kam. Der Mieter selbst rief die Polizei und sagte am Telefon, dass sein Partner die Wohnung “auseinandernehmen” würde. Als die Polizei schließlich vor Ort eintraf, vernahm sie Lärm, der auf Streit hinwies. Sie klopfte und rief lautstark und gab sich zu erkennen – aber niemand öffnete. Schließlich brach die Polizei die Wohnungstür auf, weil sie von einem Fall häuslicher Gewalt ausgehen musste. Die Tür und besonders die Türzarge wurden dabei so stark beschädigt, dass sich die Reparatur auf über 17.000 EUR belaufen sollte. Die Eigentümerin der Wohnung wollte diesen Betrag von den Mietern zurück.
Das LG sprach ihr einen Teil davon zu. Dabei hatten die beiden Männer, die sich zum Zeitpunkt des Vorfalls in der Wohnung aufhielten, aber noch Glück und mussten “nur” rund 2.135 EUR zahlen. Sie hatten den Polizeieinsatz und damit auch die Türöffnung durch ihr Verhalten schlichtweg mitverursacht. Dass sie die Tür nicht selbst zerstört hatten, spielte dabei keine Rolle. Entscheidend war vielmehr ihr Verhalten, das den Polizeieinsatz notwendig gemacht hatte. Die Beamten hörten den Streit schon beim Betreten des Hauses und hatten gewarnt, dass sie Gewalt anwenden würden, wenn niemand öffnet. Laut Gericht war die Türöffnung daher rechtmäßig.
Hinweis: Wer durch eigenes Verhalten einen Polizeieinsatz auslöst, kann für die dabei entstandenen Schäden haften – auch wenn die Polizei die Schäden verursacht. Das gilt besonders bei Gewalt oder eskalierenden Streits in der Wohnung.
Quelle: LG Köln, Urt. v. 08.04.2025 – 32 O 77/22
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(aus: Ausgabe 08/2025)