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Zum Thema Sonstiges
- “Vorverlegt = annulliert”: Bereits eine Vorverlegung eines Flugs von nur einer Stunde kann Entschädigungsansprüche auslösen
- Flugverspätung durch Gepäckverladung: Personalmangel kann außergewöhnlichen Umstand darstellen – muss aber nicht
- Fünffach verklickt? Erfordert ein Reisestorno mehrere Onlineschritte, kann nicht von einem Versehen ausgegangen werden
- Grenzen der Dispositionsmaxime: Verstoßen beide Parteien gegen das Schwarzarbeitsgesetz, sind alle wechselseitigen Ansprüche nichtig
- Widerruf des Coachingvertrags: Bis zur tatsächlichen Unternehmensgründung hat ein Kunde die Rechte von Endverbrauchern
Wird ein Flug annulliert oder vorverlegt, müssen Fluggesellschaften ihre Passagiere darüber informieren. Wie das genau zu erfolgen hat, zeigt dieser Fall, den der Bundesgerichtshof (BGH) zu klären hatte.
Eine Reisegruppe hatte eine Pauschalreise gebucht. Für die Rückreise verfügte sie über eine bestätigte Buchung für einen Flug am 14.09.2019 von Burgas in Bulgarien nach Köln/Bonn mit Abflug um 23:55 Uhr. Als einer der Reisenden am 18.08.2019 für alle Sitzplätze reservierte, erfuhr er von einer Vorverlegung der Abflugzeit auf 4:30 Uhr. Er unterrichtete die anderen hierüber, woraufhin diese eine Ausgleichszahlung von 400 EUR pro Person gerichtlich geltend machten. Und tatsächlich hatten sie einen Anspruch auf die Zahlung.
Die Vorverlegung eines Flugs um mehr als eine Stunde ist nach Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs als Annullierung anzusehen. Danach obliegt es dem Luftfahrtunternehmen, die erforderlichen Informationen an den Fluggast zu übermitteln. Dies gilt auch dann, wenn der Beförderungsvertrag über einen Dritten abgeschlossen wurde. Auch in solchen Konstellationen wird der bei einem Verstoß gegen die Verpflichtungen aus der Verordnung zu leistende Ausgleich allein vom ausführenden Luftfahrtunternehmen geschuldet. Die Mitteilung der geänderten Flugzeiten an den Pauschalreiseveranstalter hat der BGH dabei als nicht ausreichend angesehen.
Hinweis: Auch die Vorverlegung eines Flugs nur um eine Stunde ist also eine Annullierung im Rechtssinne und kann Entschädigungsansprüche auslösen.
Quelle: BGH, Urt. v. 30.01.2024 – X ZR 135/22
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(aus: Ausgabe 07/2024)
Nach dem Unionsrecht ist eine Fluggesellschaft nicht verpflichtet, für eine Verspätung Ausgleichszahlungen zu leisten, sobald sie nachweisen kann, dass die Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich selbst dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Ob der mittlerweile allgegenwärtige Personalmangel dazu gehört, musste nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) klarstellen.
Bei einem Flug von Köln-Bonn zur griechischen Insel Kos kam es zu einer Verspätung von vier Stunden. Diese Verspätung war auf mehrere Gründe zurückzuführen, hauptsächlich aber auf einen Mangel an Personal des Flughafens Köln-Bonn für die Gepäckverladung in das Flugzeug. Mehrere Fluggäste verlangten daraufhin Ausgleichszahlungen. Das zuständige deutsche Gericht legte dem EuGH daraufhin Fragen zur Beantwortung vor. Insbesondere wollte das Gericht wissen, ob ein Personalmangel des Flughafenbetreibers eine Ausgleichszahlung abwehren kann.
Der EuGH entschied dazu: Bei einem Mangel an Personal bei dem für die Gepäckverladung in die Flugzeuge verantwortlichen Flughafenbetreiber kann es sich durchaus um einen “außergewöhnlichen Umstand” handeln. Das deutsche Gericht muss nun beurteilen, ob die Mängel von der Fluggesellschaft nicht beherrschbar waren. Beherrschbarkeit setzt vor allem voraus, dass die Fluggesellschaft befugt wäre, eine tatsächliche Kontrolle über den Flughafenbetreiber auszuüben. Selbst wenn das Gericht feststellen sollte, dass es sich bei dem fraglichen Personalmangel um einen außergewöhnlichen Umstand handelt, wird die Fluggesellschaft ferner zur Befreiung von ihrer Verpflichtung zu Ausgleichszahlungen an die Fluggäste zum einen nachweisen müssen, dass sich dieser Umstand auch dann nicht hätte vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Zum anderen wäre dann aber auch zu belegen, dass sie gegen dessen Folgen alle der Situation angemessenen Vorbeugungsmaßnahmen ergriffen hatte.
Hinweis: Mit großer Wahrscheinlichkeit wird sich die Fluggesellschaft nicht mit dem Argument “Personalmangel” herausreden können, sondern eine Entschädigungszahlung leisten müssen.
Quelle: EuGH, Urt. v. 16.05.2024 – C‑405/23
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(aus: Ausgabe 07/2024)
Was passiert, wenn jemand aus Versehen im Internet eine Reise storniert, können wir an dieser Stelle nicht konkret beantworten. Was aber klar ist: Dem Gericht, wie hier dem Amtsgericht München (AG), muss glaubhaft gemacht werden, dass es sich überhaupt um ein Versehen handelt. Im folgenden Fall, bei dem es unter Zuhilfenahme eben eines Versehens um Rückzahlung einer Stornogebühr ging, gelang dies eben nicht.
Ein Mann hatte zum Preis von 4.500 EUR eine neuntägige Reise für sich und seine Ehefrau im Juni 2023 nach Faro in Portugal gebucht. Im Anschluss stornierte er im Internet auf der Homepage des Reiseunternehmens die Reise. Das Unternehmen buchte sodann vom Konto des Manns Stornierungsgebühren von knapp 4.000 EUR ab. Damit war der Mann nicht einverstanden. Er behauptete, er habe erst nach Buchung der Reise erfahren, dass neben dem Hotel eine Baustelle liege. Er habe sich zudem im Internet lediglich über eine Umbuchung informieren wollen und habe wegen der Unübersichtlichkeit der Homepage die Reise unbeabsichtigt storniert. Er habe deswegen die abgegebene Willenserklärung zur Stornierung angefochten. Schließlich klagte er die Rückzahlung des Geldes ein – vergeblich.
Das AG glaubte dem Mann schlichtweg nicht, dass er die Reise nur versehentlich storniert habe. Denn die Stornierung im Internet war mit einem Prozess von fünf Schritten relativ kompliziert gestaltet. Es kann zwar nach der allgemeinen Lebenserfahrung grundsätzlich möglich sein, dass man versehentlich einmalig etwas anklickt, was dem eigentlichen Willen nicht entspricht. Es erscheint jedoch lebensfremd, dass bei der Durchführung eines Vorgangs – wie hier der Buchungsstornierung mit insgesamt fünf verschiedenen Schritten – jedes Mal ein “Verklicken” vorgelegen haben soll.
Hinweis: Sofern Mängel bei einer Reise geltend gemacht werden sollen, ist es ganz wichtig, diese noch vor Ort zu rügen und sie dann auch beweissicher festzuhalten.
Quelle: AG München, Urt. v. 18.04.2024 – 275 C 20050/23
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(aus: Ausgabe 07/2024)
Was passiert, wenn objektiv Schwarzarbeit vorliegt, dies aber von beiden Seiten bestritten wird, zeigt dieser Fall des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) auf. Liegen nämlich klare Beweise für eine solche illegale Absprache der Vertragsparteien vor, wird in der Folge ein zivilrechtlicher Grundsatz außer Kraft gesetzt. Um was es sich bei diesem Grundsatz – der “Dispositionsmaxime des Zivilrechts” – handelt, lesen Sie hier.
Ein Mann besaß einen Landschaftsbaubetrieb. Nun sollten umfangreiche Arbeiten an einem Garten durchgeführt werden. Er traf sich an seinem Grundstück mit einem Landschaftsbauer. Dieser erstellte einen Kostenvoranschlag über 16.645 EUR, der keine Mehrwertsteuer auswies, und übermittelte diesen per E‑Mail dem Kunden. Der erklärte sich per WhatsApp damit einverstanden. Die Arbeiten wurden aufgenommen, dann aber wegen winterlicher Witterung unterbrochen. Letztendlich wurden die Arbeiten nicht fertiggestellt, und die Zusammenarbeit der Parteien wurde beendet. Der Landschaftsbauer erteilte dann eine Schlussrechnung über 21.843 EUR inkl. Umsatzsteuer. Die Rechnung wurde allerdings nicht ausgeglichen, woraufhin auch geklagt wurde. Der Kunde verlangte dann widerklagend die Rückzahlung angeblich geleisteter Barzahlungen von über 10.000 EUR.
Das OLG wies sowohl Klage als auch Widerklage ab. Nach Ergebnis der Beweisaufnahme lag für das Gericht eine sogenannte “Ohne-Rechnung-Abrede” vor, die die Nichtigkeit des gesamten Vertrags zur Folge hat (§ 134 Bürgerliches Gesetzbuch in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 2 Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG)). Es bestanden somit keinerlei wechselseitige Ansprüche der Parteien.
Die sogenannte Dispositionsmaxime des Zivilrechts besagt als bedeutendster Verfahrensgrundsatz zwar, dass ein als zivilrechtlicher Rechtsstreit vor Gericht ausgetragenes Verfahren grundsätzlich durch die Parteien beherrscht wird. Doch in Fällen wie diesen, in denen die Parteien gemeinsam vorsätzlich gegen das Verbot des § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG verstoßen, stößt diese Dispositionsmaxime an ihre Grenze. Sonst könnten die Folgen dieses Verstoßes schließlich durch übereinstimmenden wahrheitswidrigen Parteivortrag umgangen werden. Ist ein Zivilgericht also von den Tatsachen überzeugt, die einen Verstoß gegen das genannte Verbot begründen, ist es den Parteien nachträglich nicht möglich, die Folgen des Gesetzes mit Hilfe zivilprozessualer Vorschriften zu umgehen.
Hinweis: Das OLG hat die Möglichkeit der Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass der BGH anders entscheiden wird.
Quelle: OLG Hamm, Urt. v. 06.03.2024 – 12 U 127/22
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(aus: Ausgabe 07/2024)
Wer als Unternehmer auftritt, hat weniger Rechte als ein Endverbraucher. Das sollte bei Vertragsschlüssen stets bedacht werden. Im Fall des Landgerichts Landshut (LG) hatte der Kläger Glück – denn er befand sich noch im Gründungsprozess und kam daher als Endverbraucher statt als Unternehmer zu seinem guten Recht.
Ein Mann wollte sich selbständig machen und war durch Werbung auf YouTube und Instagram auf einen Coachinganbieter aufmerksam geworden. Dieser warb damit, dass sich mit seinem Coaching binnen kürzester Zeit und ohne Vorkenntnisse ein garantiertes signifikantes passives Einkommen erwirtschaften ließe, und gab dafür eine “110 % Erfolgsgarantie”. Der Kunde buchte nach einer telefonischen Beratung das Produkt “Digital Reselling – Einkommen auf Autopilot”. Im Rahmen des Vertragsschlusses wurde ein Onlineverkaufsformular ausgefüllt. Während des Telefongesprächs wurde auf dem Onlineformular ein Haken bei einer Checkbox gesetzt, die folgenden Wortlaut aufwies: “Hiermit stimme ich zu, dass … mit der Ausführung des Vertrages vor Ablauf der Widerrufsfrist beginnt. Ich habe zur Kenntnis genommen, dass ich mit dieser Zustimmung mit Beginn der Ausführung des Vertrages mein Widerrufsrecht verliere.” Im Anschluss daran erhielt der Kunde eine Rechnung über 5.735 EUR brutto und eine gestaffelte Ratenzahlung, auf die er 1.927 EUR zahlte. Dann erklärte er jedoch den Rücktritt vom Vertrag und klagte auf Rückzahlung seines Geldes.
Das LG hat der Klage stattgegeben und zudem festgestellt, dass kein Anspruch auf Zahlung von weiteren 3.808 EUR aus dem Vertrag bestand. Zwischen den Parteien war ein Fernabsatzvertrag zustande gekommen. Bei dem Kunden handelte es sich – noch! – nicht um einen Unternehmer, sondern um einen Verbraucher. Er hatte sich noch nicht zur Aufnahme eines Unternehmens entschlossen, sondern diese Entscheidung allenfalls vorbereitet. Deshalb hatte der Kunde wirksam den Fernabsatzvertrag widerrufen. Die Widerrufsfrist hatte auch noch nicht zu laufen begonnen, da er nicht über sein Widerrufsrecht belehrt worden war.
Hinweis: Endkunden sollten daran denken, dass die Möglichkeit des Widerrufs für Geschäfte im Internet eine Besonderheit ist und nicht bei Käufen vor Ort gilt. Beim Kauf im Geschäft gibt es keine Möglichkeit des Widerrufs oder der Rückgabe der gekauften Gegenstände, es sei denn, der Verkäufer sichert ein solches Recht zu.
Quelle: LG Landshut, Urt. v. 10.05.2024 – 54 O 305/24
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(aus: Ausgabe 07/2024)