Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Sonstiges
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz: Verweigerung einer Fitnessstudiomitgliedschaft aus nachweislich ethnischen Gründen wird teuer
- Befürchteter Datenmissbrauch: Ersatzforderungen auch nach Scraping nur nach konkret entstandenem Schaden möglich
- Einzahler trägt Beweislast: Wer am Automaten Geld einzahlt, geht nur durch Anwesenheit von Zeugen auf Nummer sicher
- Tückische Traube: Stürzt eine Kundin, liegt die Beweislast zur erfüllten Sorgfaltspflicht laut BGH beim Warenhaus
- Wettbewerbsverstoß: Weitere Nutzung des Girokontos stellt keine automatische Zustimmung zu neuen Vertragsbedingungen dar
Dieser Fall sorgte für Aufsehen – und zwar zu Recht. Einer Frau wurde die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio unter fadenscheinigen Gründen verweigert. Da die Frau jedoch nicht zum ersten Mal mit Vorurteilen ihres Nachnamens wegen konfrontiert war, wusste sie sich zu helfen. Daher landete das Ganze vor dem Amtsgericht Neumünster (AG), und dieses wies den Betreiber des Studios ganz sportlich in seine Schranken.
Ein Fitnessstudio warb auf Plakaten, in der Presse und im Internet intensiv für eine Mitgliedschaft mit einem dreiwöchigen kostenlosen Probetraining. Eine Frau meldete sich daraufhin und wollte Mitglied werden. Sie stellte sich mit ihrem Nachnamen vor, der als ein Familienname deutscher Sinti verbreitet und bekannt ist. Ein Mitarbeiter erklärte daraufhin, er müsse wegen ihrer Aufnahme zunächst Rücksprache halten, und teilte der Frau sodann mit, dass eine Aufnahme nicht möglich sei – die aktuelle Corona-Verordnung erlaube nur eine begrenzte Mitgliederzahl. Daraufhin erkundigte sich die Frau und stellte fest, dass es keine Obergrenze für Mitglieder in Fitnessstudios gäbe. Schließlich bat sie zwei Freundinnen, sich im Fitnessstudio anzumelden. Beiden wurde die Aufnahme ohne jede Einschränkung angeboten. Da erfuhr die Frau, dass das Fitnessstudio bereits in der Vergangenheit Verwandte mit ihrem Familiennamen als Mitglieder abgelehnt hatte. Daraufhin verlangte sie eine Entschädigungszahlung in Höhe von 1.000 EUR wegen eines Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und klagte – erfolgreich.
Nach dem AGG ist es unzulässig, Personen in Bezug auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, aufgrund ihrer ethnischen Herkunft zu benachteiligen. Ist eine hiernach unzulässige Benachteiligung erfolgt, kann der Benachteiligte den Ersatz des ihm hierdurch entstandenen Schadens verlangen. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann er eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Das war hier der Fall gewesen. Auch die geltend gemachte Höhe über 1.000 EUR war in Augen des AG moderat und nicht überhöht.
Hinweis: Nicht nur am Arbeitsplatz ist die Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft verboten. Das zeigt dieser Fall deutlich. Betreiber entsprechender Einrichtungen sollten ihre Mitarbeiter klar darauf hinweisen, dass Benachteiligungen nicht geduldet werden dürfen.
Quelle: AG Neumünster, Urt. v. 18.11.2022 – 39 C 305/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 02/2023)
Die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) brachte viele Unsicherheiten, aber vor allem auch das Versprechen größerer Datensicherheit mit sich. Noch Jahre später scheinen viele sensibilisiert, wenn es um die Verwendung persönlicher Daten angeht. Zu Recht, denn wenn persönliche Daten missbraucht werden, haben Geschädigte einen Anspruch auf Schadensersatz. Ob bei aller Vorsicht und berechtigter Skepsis jedoch bereits Ängste vor Datenmissbrauch ausreichen, um einen solchen Anspruch geltend machen zu können, musste hier das Landgericht Gießen (LG) beantworten.
Ein Mann hatte im Rahmen einer Registrierung im Internet seinen Vornamen, Nachnamen, sein Geburtsdatum und sein Geschlecht angegeben. Die Mitteilung einer Handynummer war zwar nicht zwingend erforderlich, trotzdem hatte der Mann sie auch angegeben. Dann sammelten Dritte unter Nutzung automatisierter Verfahren eine Vielzahl der auf der Plattform des Unternehmens verfügbaren öffentlichen Informationen (sogenanntes “Scraping”). Diese Scraper fügten sodann den öffentlich zugänglichen Informationen aus dem betreffenden Profil des Nutzers die mit dem Konto verknüpfte Telefonnummer hinzu. Im April 2021 wurden die gescrapten Datensätze von über 500 Mio. Nutzern sowie die mit diesen Datensätzen verknüpften Telefonnummern frei zum Download bereitgestellt – auch die immer öffentlich zugänglichen Profilinformationen des Mannes und die mit seinem Konto verknüpfte Telefonnummer. Der Mann behauptete nun, das Unternehmen habe keinerlei Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um ein Abgreifen seiner Daten zu verhindern. Dass eine automatisierte Massenabfrage möglich war, stelle eine Sicherheitslücke dar. Er habe einen erheblichen Kontrollverlust über seine Daten erlitten und leide unter großem Unwohlsein und Sorgen, da er einen Missbrauch befürchte. Schließlich klagte er einen immateriellen Schadensersatz in Höhe von 1.000 EUR ein.
Die Klage wurde vor dem LG jedoch abgewiesen. Nach Auffassung des Gerichts reicht ein bloßer Verstoß gegen Vorschriften der DSGVO nicht aus, um bereits Schadensersatz verlangen zu können. Es bedarf vielmehr der Darlegung eines konkreten Schadens. Allerdings sei es dabei nicht erforderlich, dass der eingetretene Schaden erheblich ist – auch Bagatellschäden seien ersatzfähig!
Hinweis: Aus dem Urteil muss gefolgert werden, dass es grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch geben kann. Nur dann müssen die persönlichen Schäden auch genau und in allen Einzelheiten dargestellt werden.
Quelle: LG Gießen, Urt. v. 03.11.2022 – 5 O 195/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 02/2023)
Sollte sich der folgende Fall tatsächlich so zugetragen haben, wie der Geschädigte behauptete, ist das Ganze wahrlich ein wirtschaftlicher Alptraum. Da Geld aber meist nur den Besitzer wechselt, sich dabei aber nicht gänzlich in Luft auflöst, musste sich das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) hier an die handfesten Fakten, die auf vorhandenen Geldscheinen fußten, halten. Und diese besagten, dass sich in einem “streikenden” Geldautomaten gut 9.500 EUR weniger befanden, als eingeklagt wurden.
Ein Mann hatte Bargeld an einem Geldautomaten eingezahlt. Dieser nahm die Geldnoten auf, schloss den Einzahlungsbehälter und begann mit dem Verarbeitungsvorgang. Dann wurde dieser Vorgang jedoch plötzlich abgebrochen – es erschien auf dem Display des Automaten der Wortlaut “Außer Betrieb”. Am Folgetag wurde der Automat repariert. Dabei fanden die Mitarbeiter 300 EUR in der sogenannten Retract-Kassette und 3.850 EUR im automateninternen Transportweg. Die in der Retract-Kassette vorgefundenen 300 EUR wurden später einem weiteren abgebrochenen Einzahlungsvorgang einer anderen Kundin der Bank zugeordnet. Die auf dem Transportweg vorgefundene Summe von 3.850 EUR wurde dem Einzahlungsvorgang des Klägers zugeordnet und dessen Konto gutgeschrieben. Nun aber behauptete der Mann, er habe an dem besagten Tag Bargeld in Höhe von insgesamt 13.325 EUR eingelegt, den Verkaufserlös eines Motorrads. Er war der Ansicht, dass die Bank für die Fehlerhaftigkeit des Automaten einzustehen habe, und klagte.
Die Klage wurde vor dem OLG jedoch abgewiesen. Die Darlegungs- und Beweislast für den Umstand, dass ein Bankkunde an einem Geldautomaten eine Bareinzahlung in der von ihm behaupteten Höhe überhaupt ausgelöst bzw. den Zahlungsauftrag mit dem von ihm behaupteten Inhalt erteilt hat, liege beim Einzahler. Da der Mann als Einzahler jedoch nicht beweisen konnte, in welcher Höhe er Geld in den Automaten gesteckt hatte, hat er seine Klage verloren.
Hinweis: Wer sichergehen will, sollte die Einzahlung in Gegenwart eines Zeugen vornehmen. Dieser Zeuge muss in einem späteren Verfahren dann aussagen können, wie viel Geld tatsächlich eingezahlt wurde. Das ist zwar nicht sehr praxisnah, jedoch die einzige Möglichkeit, um wirklich auf Nummer sicher zu gehen.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Urt. v. 18.10.2022 – 4 U 217/21
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 02/2023)
Mit der Beweispflicht ist es so eine Sache. Denn naturgemäß fällt es in vielen lebensnahen Bereichen oftmals schwer, im Nachhinein klare Fakten auf den Richtertisch zu legen, die das eigene Verhalten als korrekt und das der Gegenseite als fehlerhaft darlegen. Da Gerichte sich aber nicht auf subjektive Aussagen verlassen dürfen, müssen Tatsachen für sich sprechen. Im Fall eines Sturzes in einem Kaufhaus hatte der Bundesgerichtshof (BGH) seine Zweifel über die Bewertung durch die Vorinstanzen und stellte die Beweislast für solche Fälle in seinem Urteil klar.
Eine Frau behauptete, im Erdgeschoss eines Kaufhauses vor dem Pflanzenbereich aufgrund einer auf dem Boden liegenden Weintraube ausgerutscht und gestürzt zu sein. Das Kaufhaus habe es ihrer Ansicht nach versäumt, für eine hinreichende Reinigung des Sturzbereichs zu sorgen. Daher verlangte die Kundin nun auch Schadensersatz und Schmerzensgeld.
In den ersten beiden Instanzen hat sie zwar verloren, doch die Beharrlichkeit der Frau zahlte sich vor dem BGH aus. Denn dieser hob das Urteil auf und verwies die Angelegenheit an die Vorinstanz zurück. Stürzt ein Kunde aufgrund einer Verunreinigung des Bodens in einem Warenhaus, muss nämlich der Inhaber beweisen, dass von ihm und seinen Mitarbeitern alle Sorgfaltspflichten erfüllt wurden, um einen solchen Vorfall zu vermeiden. Das Kaufhaus hätte hier also beweisen müssen, dass von ihm die zur Vermeidung von Unfällen erforderlichen Organisations- und Überwachungsmaßnahmen getroffen worden sind und dass auch seine Mitarbeiter alle nach Lage der Sache erforderliche Sorgfalt bei der Ausübung der ihnen übertragenen Pflichten beachtet hatten. Insoweit verbleibende Zweifel gingen daher zu Lasten des Kaufhauses, das diesbezüglich nun die Vorinstanz den Vorgaben gemäß zu überzeugen hat.
Hinweis: Nach den nun aufgestellten Grundsätzen des BGH dürfte es noch schwieriger für ein Warenhaus oder einen Supermarkt werden, nicht haften zu müssen. Das wiederum dürfte für Geschädigte sehr gut sein.
Quelle: BGH, Urt. v. 25.10.2022 – VI ZR 1283/20
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 02/2023)
Viele Banken und Sparkassen versuchen seit Monaten, ihre neuen Geschäftsbedingungen durchzusetzen. So einfach wie die Genossenschaftsbank dieses Falls können es sich die Kreditinstitute allerdings nicht machen. Denn einem solchen Geschäftsgebaren stehen den Instituten die Gerichte im Weg – so wie hier das Landgericht Hannover (LG).
Eine Genossenschaftsbank hatte Mitte 2022 ihre Kunden schriftlich zur ausdrücklichen Zustimmung zu den neuen Vertragsbedingungen aufgefordert. Die Kunden, die darauf nicht reagiert hatten, erhielten daraufhin ein weiteres Schreiben, in dem die Genossenschaftsbank ihnen mitteilte, dass sie die künftige Nutzung des Kontos als Zustimmung werten würde. Dies gelte bei Überweisungen, Abhebungen am Automaten oder bargeldlosen Zahlungen. Von diesem Geschäftsgebaren erhielt der Dachverband der Verbraucherzentralen Kenntnis. Er zog gegen die Genossenschaftsbank mit Unterlassungsansprüchen vor Gericht – und das mit Erfolg.
Das Vorgehen der Bank stellte auch in Augen des LG einen eindeutigen Wettbewerbsverstoß dar. Es verstieß außerdem gegen grundlegende vertragsrechtliche Prinzipien und benachteiligte Verbraucher unangemessen. Durch die Nutzung ihres Kontos stimmt die Bankkundschaft daher nicht automatisch den Vertragsänderungen zu.
Hinweis: Die weitere Nutzung des Kontos stellt also keine Zustimmung zu neuen Vertragsbedingungen dar. Wer Vertragsbedingungen ändern möchte, benötigt dafür die Zustimmung des anderen Vertragspartners.
Quelle: LG Hannover, Urt. v. 28.11.2022 – 13 O 173/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 02/2023)