
Rechtsprechung unterliegt auch einem Wandel der Zeit. Wir haben Ihnen hier aktuelle Urteile zu den Themen Familienrecht, Arbeitsrecht und sonstiger Rechtsgebiete zusammengestellt. Ferner können Sie auch auf unsere Urteils-Archiv-Datenbank zugreifen und kostenfrei recherchieren.
Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Arbeitsrecht
- Belegloses Einschreiben: Zugang einer Kündigung muss eindeutig nachweisbar sein
- Fehlerhafte Vergütungseinstufung: BAG stärkt Arbeitnehmerrechte und weist Arbeitgebern Darlegungs- und Beweislast zu
- Keine weitere Möglichkeit: Verlust eines Großauftrags kann wirksame betriebsbedingte Kündigung nach sich ziehen
- Neues zu Nachtzuschlägen: BVerfG stärkt Rechtssicherheit für tarifgebundene Arbeitgeber
- Selbständig oder angestellt? Arbeitnehmereigenschaften müssen nachweisbar sein, um vor Arbeitsgerichten verhandelt zu werden
Dass das große Ganze wesentlich ist, stimmt nicht so ganz. Denn oft entscheiden Details über den Ausgang von Rechtsstreitigkeiten. Auch im folgenden Fall, bei dem eine Kündigung am finalen Schritt gescheitert ist – nämlich ihrer Zustellung. Was in Sachen ordnungsgemäßer Kündigung bei Einschreiben zu beachten ist, hat hier das Bundesarbeitsgericht (BAG) gründlich dargelegt.
Ein Arbeitgeber wollte eine fristlose Kündigung aussprechen und behauptete, dass zwei seiner Mitarbeiterinnen das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt hätten. Danach hätten sie es zur Post gebracht und dort am 26.07.2022 um 15.35 Uhr als Einwurfeinschreiben mit Sendungsnummer persönlich aufgegeben. Nach dem Sendungsstatus sei das Schreiben mit der entsprechenden Sendungsnummer der Arbeitnehmerin am 28.07.2022 auch zugestellt worden. Die Arbeitnehmerin behauptet jedoch, das Schreiben nicht erhalten zu haben, und klagte auf Weiterbeschäftigung.
Und siehe da: Das BAG entschied, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet worden war. Denn der Arbeitgeber konnte den Zugang der Kündigung nicht beweisen. Er hatte hier für den von ihm behaupteten Einwurf des Kündigungsschreibens in den Hausbriefkasten am 28.07.2022 keinen Beweis angeboten. Vor allem fehlte es an einem Zeugenbeweis der Person, die den Einwurf vorgenommen haben soll. Das BAG stellte auch klar, dass die Vorlage des Einlieferungsbelegs eines Einwurfeinschreibens und die Darstellung seines Sendungsverlaufs ohne Vorlage einer Reproduktion des Auslieferungsbelegs keinen Beweis für den Zugang beim Empfänger begründet. Schließlich fehlten dabei Angaben zum Überbringer der Kündigung sowie über weitere Einzelheiten der Zustellung.
Hinweis: Die persönliche Übergabe des Kündigungsschreibens gegen eine Empfangsbestätigung ist immer noch die sicherste Möglichkeit.
Quelle: BAG, Urt. v. 30.01.2025 – 2 AZR 68/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Kläger im folgenden Fall, den das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu entscheiden hatte, war ein freigestelltes Betriebsratsmitglied. Die Frage, die dabei im Raum stand: Wer muss bei einer fehlerhaften Vergütung eines Arbeitnehmers eben dafür auch die Beweise liefern – Arbeitgeber oder Arbeitnehmer?
Ein Arbeitnehmer war bei einem großen deutschen Automobilhersteller beschäftigt und seit 2002 ein von der Arbeitsleistung freigestelltes Betriebsratsmitglied. Seit 2003 teilte ihm sein Arbeitgeber stets zu Jahresbeginn mit, dass sein Gehalt entsprechend der mit ihm vergleichbaren Arbeitnehmer mit betriebsüblicher Entwicklung angehoben werde, zuletzt in die tarifliche Entgeltstufe (ES) 20. Schließlich überprüfte der Arbeitgeber die Eingruppierung und damit die Höhe der Vergütung des freigestellten Betriebsratsmitglieds. Er kam zu der Auffassung, dass der Arbeitnehmer tatsächlich zwei Vergütungsstufen niedriger einzustufen sei, nämlich in die tarifliche Vergütungsstufe ES 18. Deshalb forderte er auch für die Zeit von Oktober 2022 bis Januar 2023 die über diese Stufe hinaus gezahlte Vergütung zurück. Im Februar 2023 erhielt der Arbeitnehmer schließlich sein Entgelt entsprechend der Vergütungsstufe ES 17, also noch einmal niedriger. Der Arbeitnehmer forderte daraufhin ein Gehalt entsprechend der Vergütungsstufe ES 20 und klagte.
Ob die Zahlungsansprüche des freigestellten Betriebsrats begründet sind, konnte das BAG zwar nicht abschließend beurteilen – das ist jetzt Aufgabe des Landesarbeitsgerichts (LAG), an das die Entscheidung wieder verwiesen wurde. Eben dieses vorinstanzliche LAG hatte bei dem Anpassungsanspruch der Vergütung die Darlegungs- und Beweislast nämlich beim Arbeitnehmer gesehen. Und hierbei war das BAG diesem gegenüber durchaus hilfreich, denn es ordnet die Darlegungs- und Beweislast vielmehr dem Arbeitgeber zu.
Hinweis: Korrigiert der Arbeitgeber also eine mitgeteilte und gewährte Vergütungserhöhung, hat er auch zu beweisen, dass diese Vergütungserhöhung objektiv fehlerhaft war.
Quelle: BAG, Urt. v. 20.03.2025 – 7 AZR 46/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Fälle wie dieser werden angesichts eines unsicheren Geschäftsklimas künftig häufiger vorkommen. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) musste über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung entscheiden.
Eine Arbeitnehmerin war bei einem Taxi- und Mietwagenunternehmen als Disponentin beschäftigt. Bis Ende Oktober 2023 führte der Arbeitgeber für eine Verkehrsgesellschaft nahezu den gesamten Rufbusverkehr im Landkreis als Exklusivleistung durch. Als dieser Auftrag endete, führte dieser Umstand zu einem erheblichen Einbruch der Umsätze und der zu disponierenden Fahrten: Statt 6.000 Rufbusfahrten und 750 Taxi- sowie Krankenfahrten mussten ab dem 01.11.2023 nur noch 20 bis 30 Fahrten disponiert werden. Der Arbeitgeber bot daher Disponenten Tätigkeiten als Fahrer an – nur die Disponentin fiel durchs Raster, da sie keinen Führerschein besaß. Gegen die daraufhin erfolgte Kündigung klagte sie.
Dennoch musste das LAG diese Kündigung abnicken, da sie nach Auffassung des Gerichts durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt und deshalb rechtmäßig war. Es war nachvollziehbar, dass der Arbeitgeber nach Ablauf der Kündigungsfrist keine weitere Beschäftigungsmöglichkeit für die Arbeitnehmerin anbieten konnte. Eine Disponententätigkeit war nicht mehr erforderlich und als Fahrerin konnte er die Arbeitnehmerin mangels Fahrerlaubnis nicht einsetzen.
Hinweis: Fällt also tatsächlich ein Großauftrag weg, kann eine betriebsbedingte Kündigung wirksam sein. Aber auch hierbei kommt es auf den Einzelfall an. Stets hat der Arbeitgeber darzulegen, welche Arbeitsplätze genau betroffen sind. Ferner ist im Regelfall auch eine Sozialauswahl durchzuführen.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 15.01.2025 – 3 SLa 156/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit einem Urteil die Tarifautonomie gestärkt. Denn dem, was die Kollegen des Bundesarbeitsgerichts (BAG) noch als rechtens ansahen – und zwar eine rückwirkende Anpassung zugunsten von Arbeitnehmern -, konnte der Senat aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht zustimmen. Was Arbeitgeber und Gewerkschaft vereinbaren, kann ein Gericht nicht ohne weiteres ändern.
Ein Arbeitnehmer, der regelmäßig in Nachtschicht arbeitete, hatte geklagt. Denn nach den auf sein Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträgen gab es einen Zuschlag von “nur” 25 % bei regelmäßiger Nachtarbeit und 50 %, wenn außerhalb von Schichtdiensten nur gelegentlich nachts gearbeitet werde. Der Arbeitnehmer zog bis vor das BAG und bekam dort sogar Recht; die Tarifverträge wurden für unwirksam erklärt. Die Folge war, dass die Arbeitgeber höhere Zuschläge zahlen mussten. Eben dies wollten sich die Arbeitgeber nicht gefallen lassen und zogen vor das BVerfG.
Das BVerfG meinte, dass das BAG die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie nicht ausreichend beachtet habe. Dies bedeutet, dass Tarifverträge zwar den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten müssen, Gerichte aber nur willkürliche Ungleichbehandlungen in Tarifverträgen beanstanden dürfen. Daher sind solche Ungleichbehandlungen zu akzeptieren, für die sachliche Gründe objektiv erkennbar seien. Das gilt auch, wenn der Tarifvertrag diese Gründe nicht ausdrücklich nennt. Aber selbst, wenn die unterschiedlichen Nachtzuschläge sachlich nicht gerechtfertigt gewesen wären, hätte das BAG nicht einfach eine Anpassung nach oben anordnen dürfen. Es hätte den Tarifvertragsparteien vielmehr Gelegenheit geben müssen, den Tarifvertrag zu korrigieren.
Hinweis: Das Urteil bedeutet mehr Rechtssicherheit für tarifgebundene Arbeitgeber. Eine rückwirkende Anpassung nach oben zugunsten der Arbeitnehmer ist ausgeschlossen, weil ein Tarifvertrag nicht nur für die tarifgebundenen Arbeitnehmer Vertrauensschutz bietet, sondern auch für die tarifgebundenen Arbeitgeber.
Quelle: BVerfG, Urt. v. 11.12.2024 – 1 BvR 1422/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Wenn ein Handelsvertreter nach jahrelanger Tätigkeit behauptet, eigentlich Arbeitnehmer gewesen zu sein, wird es schwer für ihn, die hierfür notwendigen Beweise zu erbringen. Wer sich erst nach jahrelanger Tätigkeit darüber Gedanken macht, ob er womöglich doch nicht selbständig tätig war, kann vom folglich (nicht) zuständigen Arbeitsgericht schnell die kalte Schulter gezeigt bekommen – wie im Fall vor dem Hessischen Landesarbeitsgericht (LAG).
Mit einem im Jahr 2010 abgeschlossenen Handelsvertretervertrag für die Vermittlung von Bauverträgen für Fertighäuser sollte ein Handelsvertreter nach § 84 Abs. 1 Handelsgesetzbuch innerhalb von Deutschland selbständig tätig werden. Dabei sollte er in der Gestaltung seiner Tätigkeit und der Einteilung seiner Arbeitszeit frei sein. Zudem verpflichtete er sich, für die Dauer des Vertragsverhältnisses keinerlei Interessen für konkurrierende Unternehmen wahrzunehmen. Im Gegenzug dafür erhielt er Provisionen. Schließlich wurde das Vertragsverhältnis 2024 von dem Unternehmen gekündigt. Daraufhin machte der Handelsvertreter unter anderem Vergütungsansprüche geltend. Er zog vor die Arbeitsgerichte und schließlich auch vor das LAG, weil er meinte, er sei als Arbeitnehmer tätig gewesen.
Die Arbeitsgerichte waren aber für dieses Ansinnen gar nicht zuständig, da der Handelsvertreter tatsächlich kein Arbeitnehmer war. Zum einen gab es einen gültigen Handelsvertretervertrag, zum anderen war der Mann auch nicht weisungsgebunden tätig. Auch die Frage, ob die Handelsvertretertätigkeit im Neben- oder Hauptberuf ausgeübt worden ist, spielte für das LAG keine Rolle.
Hinweis: Wenn ein Handelsvertreter meint, tatsächlich als Arbeitnehmer tätig geworden zu sein, muss ein solches Verfahren gut überlegt werden. Selbst wenn eine Arbeitnehmereigenschaft festgestellt wird, droht die Rückzahlung von Provisionen an den Arbeitgeber. Denn dieser hätte ja, wenn er gewusst hätte, dass eine Arbeitnehmereigenschaft vorliegt, auch keine hohen Handelsvertreterprovisionen gezahlt, sondern nur ein übliches Arbeitsentgelt.
Quelle: Hessisches LAG, Beschl. v. 24.02.2025 – 10 Ta 299/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Zum Thema Familienrecht
- Ausgleich der Unterhaltsspitze: Eltern können bei Unterhalt im paritätischen Wechselmodell in eigenem Namen klagen
- EuGH: Unionsrecht schreibt Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehe, nicht deren Eintragung vor
- Kindeswohl: Mutter darf nicht beim Ex-Partner die Wohnung inspizieren
- Künstliche Befruchtung: Klinik muss kryokonservierte Spermien des verstorbenen Ehepartners herausgeben
- Unzulässige Teilentscheidung: Familienrichter dürfen Umgangsregelung nicht einfach ablehnen
Eltern sind ihren Kindern zu Unterhalt verpflichtet. Leben die Eltern getrennt, stellt sich im Streitfall immer die Frage, ob die Eltern den Unterhaltsanspruch des Kindes im eigenen Namen oder als gesetzlicher Vertreter einklagen müssen. Und da es so oft heißt, es käme immer auf den Fall an, musste das Amtsgericht Gemünden (AG) darauf eine Antwort finden.
Die miteinander verheirateten Eltern leben dauerhaft getrennt und betreuen die Kinder im paritätischen Wechselmodell. Nun wollte die Mutter den Ausgleich der Unterhaltsspitze hinsichtlich des Kindesunterhalts gerichtlich klären lassen und im Wege der einstweiligen Anordnung erreichen, dass ihr das Alleinvertretungsrecht für die Geltendmachung von Kindesunterhalt (im Wechselmodell) für die gemeinsamen Kinder zugewiesen wird. Hilfsweise solle ein Ergänzungspfleger zur Geltendmachung des Kindesunterhalts bestellt werden. Der Vater sah jedoch keinerlei Regelungsbedürfnis.
Das AG hat die Anträge der Mutter abgewiesen. Der Mutter musste nämlich gar keine Entscheidungsbefugnis übertragen werden, da sie die Unterhaltsansprüche der Kinder im eigenen Namen geltend machen kann. § 1629 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch regelt ausdrücklich, dass ein Elternteil die Kinder allein und in eigenem Namen vertreten kann, wenn die Eltern zwar verheiratet sind, aber getrennt leben. Weitere Voraussetzungen – wie ein überwiegender Aufenthalt oder die Obhut bei einem Elternteil – verlangt die Norm nicht. Und da die Mutter bereits alleinvertretungsbefugt war, musste auch kein Ergänzungspfleger bestellt werden.
Hinweis: Das hätte die Mutter wirklich leichter haben können. Gerade im Familienrecht gilt es, genau zu lesen, wo eine Obhut gefordert ist und wo ein überwiegender Aufenthalt – denn gerade daran kann sich entscheiden, ob man im eigenen Namen klagebefugt ist oder eben nicht.
Quelle: AG Gemünden, Beschl. v. 17.03.2025 – 002 F 72/25
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Das sogenannte Unionsrecht verpflichtet einen EU-Mitgliedstaat zur Anerkennung der Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen. Dass daraus aber nicht unbedingt der Anspruch auf Eintragung der Heiratsurkunde in ein Personenstandsregister folgt, war dem Schlussantrag des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu entnehmen.
Zwei polnische Staatsbürger (einer zudem Deutscher) gingen in Berlin die Ehe ein. Das Paar beantragte die Umschreibung ihrer deutschen Heiratsurkunde in das polnische Personenstandsregister. Dieser Antrag wurde jedoch abgelehnt, da das polnische Recht die Eheschließung zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vorsieht. Die Eheleute klagten gegen diese Ablehnung. Das mit der Sache befasste polnische Gericht setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH seine Fragen zur Vorabentscheidung vor: Es wollte wissen, ob die Regelung oder die Praxis eines Mitgliedstaats mit dem Unionsrecht überhaupt vereinbar sei, wenn dadurch weder ermöglicht wird, die Eheschließung zwischen gleichgeschlechtlichen Personen anzuerkennen noch die entsprechende Heiratsurkunde in das Personenstandsregister einzutragen.
Der Generalanwalt stellte in seinem Schlussantrag fest, dass das Personenstandsrecht zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle, bei der Ausübung dieser Zuständigkeit aber Unionsrecht beachtet werden müsse. Werde die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene Ehe nicht anerkannt, könne dies das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens beeinträchtigen. Sehe ein Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht die Ehe zwischen Personen gleichen Geschlechts nicht vor, muss er dennoch geeignete Verfahren einführen, die in einem anderen Mitgliedstaat geschlossene Ehen nach außen dokumentieren. Jeder Mitgliedstaat muss also die Modalitäten der Anerkennung von gleichgeschlechtlichen Paaren festlegen. Dies muss nicht durch Eintragung der Heiratsurkunde in ein Personenstandsregister geschehen, aber sicherstellen, dass die Ehe auch ohne diese Formalität ihre Wirkungen entfaltet.
Hinweis: Ist die Eintragung das einzige Mittel, die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Personen in einem Mitgliedstaat anzuerkennen, dann muss diese auch möglich sein. Gibt es alternative Anerkennungswege, bestehe kein Anspruch auf Eintragung.
Quelle: EuGH, Schlussantrag des Generalanwalts v. 03.04.2025 – C‑713/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Wird gegen eine getroffene Umgangsvereinbarung verstoßen, drohen Ordnungsgelder. Ein freizügiges Sexualleben Erwachsener gehört jedoch nicht per se zu den vollstreckbaren Risiken, die eine Erziehung und Betreuung von Kindern zwingend erschweren. Im Folgenden befürchtete eine Mutter, dass eben genau dies geschehen könnte, und nahm sich Freiheiten gegenüber dem Kindesvater heraus, gegen die das Amtsgericht Sonneberg einschreiten musste.
Die Eltern hatten bei Trennung eine gerichtlich gebilligte Umgangsvereinbarung abgeschlossen. Darin hatte sich der Vater verpflichtet, die Mutter jeweils montags vor Beginn seiner Umgangswoche in die Wohnung zur Nachschau zu lassen. Sie wollte sicherstellen, dass keine Sexspielzeuge herumliegen. Schließlich habe man während der intakten ehelichen Lebensgemeinschaft einvernehmlich ein Sexualleben geführt, das von der Dominanz der Frau und der Unterwerfung des Mannes geprägt war. Seit Dezember 2024 verweigerte der Mann dann jedoch diese Nachschau, woraufhin die Frau ein Ordnungsgeld gegen ihn erwirken wollte.
Damit scheiterte sie aber. Zwar sei es laut § 89 Abs. 1 Satz 1 Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit möglich, bei der Zuwiderhandlung gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs ein Ordnungsgeld festzusetzen. Dies ginge aber nur, wenn die Pflicht, gegen die verstoßen wurde, an sich selbst vollstreckbar wäre – also das Gericht feststellen könnte, dass durch die Zuwiderhandlung des Elternteils Erziehung und Betreuung der Kinder durch den anderen Elternteil erschwert wären. Dann erst könne das Gericht deswegen die Auflage erteilen, diese Zuwiderhandlung zu unterlassen (§ 1684 Abs. 3 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch). Hier aber gab es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass durch die Verweigerung der Nachschau die Erziehung oder Betreuung der Kinder erschwert werde. Zudem hatte der Vater von Anfang an versichert, dass er seine Utensilien vor den Kindern sicher verwahre.
Hinweis: Umgangsregelungen sollten immer mit vollstreckungsfähigem Inhalt getroffen werden. Dann kann bei Zuwiderhandlung auch ein Ordnungsgeld erlassen werden.
Quelle: AG Sonneberg, Beschl. v. 10.03.2025 – 1 F 56/23
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Das Leben schreibt die schönsten, aber auch die tragischsten Geschichten. Wie im Fall des Landgerichts Frankfurt am Main (LG), in dem ein Ehepaar durch Kryokonservierung der männlichen Spermien Vorsorge für die Familienplanung treffen wollte und dann der Mann plötzlich verstarb. Wie war seitens der Klinik nun mit den Spermien zu verfahren?
Zu Lebzeiten hatte der Ehemann mit der Klinik einen Vertrag geschlossen, der vorsah, dass das konservierte Spermamaterial nach seinem Tod zu vernichten sei. Die Ehefrau verlangte nun aber die Herausgabe der Spermien. Die Klinik verweigerte die Herausgabe. Dies widerspräche dem Vertrag, aber auch dem Embryonenschutzgesetz (ESchG). Dieses verbiete die künstliche Befruchtung mit dem Samen eines Verstorbenen. Durch die Herausgabe könnten sich Mitarbeiter der Klinik strafbar machen.
Die Witwe zog daraufhin vor Gericht und bekam im Rahmen eines Eilverfahrens auch Recht. § 4 ESchG verbiete zwar, nach dem Tod eines Mannes eine Eizelle mit dessen Samen zu befruchten. Hier verlangte die Witwe aber gar keine Befruchtung, sondern lediglich die Herausgabe. Auch die vertraglich mit dem verstorbenen Ehemann vereinbarte Klausel zur Vernichtung des Keimmaterials nach seinem Tod greife hier nicht. Denn die hinterbliebene Ehefrau habe schlüssig und glaubhaft dargelegt, dass sich der Kinderwunsch der Eheleute individuell und losgelöst vom Vertrag weiterentwickelt habe. Bis zu seinem Tod hatte der Mann einen eindeutigen Kinderwunsch. Die Witwe konnte zur Überzeugung des LG darlegen, dass ihr Ehemann vor seinem Tod in die postmortale Verwendung seines Spermas wirksam eingewilligt habe.
Hinweis: Im Prinzip hat das LG dem Grundrecht des Mannes auf reproduktive Autonomie entsprochen. Die Entscheidung bedeutet aber nicht, dass eine Klinik in ähnlichen Fällen die konservierten Spermien immer herausgeben muss. Hier konnte sich die Ehefrau nur durchsetzen, weil sie eindeutig belegen konnte, dass sie ausdrücklich im Willen des Verstorbenen gehandelt hat.
Quelle: LG Frankfurt am Main, Beschl. v. 04.02.2025 – 2 – 04 O 29/25
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Schon das Wort “Umgangsregelung” impliziert, dass eine Regelung irgendeiner Art getroffen wird. Ob es für eine solche rechtsgültige Umgangsregelung schon ausreicht, dass das Gericht bei einer Umgangsregelung ein einfaches “Nein, das machen wir so nicht!” ausspricht, musste in diesem Familienrechtsfall das Thüringer Oberlandesgericht (OLG) in Jena entscheiden.
Seit der Scheidung im Juni 2018 leben die Kinder bei ihrer Mutter. Alle 14 Tage holt der Vater sie am Wochenende zum Umgang ab. Er hat wieder geheiratet und zwei weitere minderjährige Kinder. Im August 2024 wollte der Mann den Umgang gerichtlich regeln lassen, da die Mutter mit den Kindern weggezogen war und damit gegen eine gemeinsame Absprache verstoßen habe. Seit dem Wegzug könne ein Umgang nur stattfinden, wenn der Vater eine Fahrstrecke von 560 km hin und zurück bewältige. Da er eine neue Familie habe und Vollzeit arbeite, zudem physisch und psychisch angegriffen sei, könne er die Umgangsfahrten nicht allein übernehmen. Die Mutter weigerte sich hingegen, sich an den Umgangsfahrten zu beteiligen und die Kinder zum Vater zu bringen und wieder abzuholen. So einen Anspruch gäbe es ihrer Ansicht nicht. Das Familiengericht hörte dann auch die beiden Kinder an, die ihrerseits meinten, die Fahrten nicht allein zurücklegen zu können. Also wies das Gericht den Vater zurück, wogegen er Beschwerde einlegte – und Recht bekam.
Die bloße Ablehnung einer gerichtlichen Umgangsregelung war in den Augen des OLG grundsätzlich unzulässig. Das Familiengericht muss entweder Umfang und Ausübung der Umgangsbefugnis konkret regeln oder – sofern dies zum Wohl des Kindes erforderlich ist – die Umgangsbefugnis ebenso konkret einschränken oder ausschließen. Einfach ablehnen darf es eine gerichtliche Regelung hingegen nicht. Das OLG hat den Fall also an das Landgericht zurückverwiesen, das nun nochmal entscheiden muss. Wird eine gerichtliche Umgangsregelung verlangt, muss ein Gericht diese auch treffen. Dies gilt nur dann nicht, wenn ein Regelungsbedürfnis entfallen ist (etwa durch außergerichtliche Einigung). Dies war hier aber nicht der Fall.
Hinweis: Begehren auch Sie eine Umgangsregelung, dann bestehen Sie immer auf einer gut begründeten Entscheidung. Dies ist schließlich Kernaufgabe des Gerichts. Kommt es dieser nicht nach, ist die gerichtliche Entscheidung angreifbar.
Quelle: Thüringer OLG, Beschl. v. 02.04.2025 – 1 UF 16/25
zum Thema: | Familienrecht |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Zum Thema Sonstiges
- Aggressiv statt “dominant”: Rückabwicklung eines Vertrags über den Kauf eines schwierigen Pferds
- Bank winkt ab: Kein Schadensersatz bei telefonischer Freigabe einer TAN
- Falsche Kontoverbindung: Elektronischer Rechnungsverkehr ohne Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist Risiko des Versenders
- Gepäck weg: Welche Anschaffungen auf einer Kreuzfahrt in den Polarkreis ersatzfähig sind
- Verspäteter Koffer kaputt: Frist für verdeckte Schäden nicht bei deutlich beschädigtem Kofferschloss ausschöpfbar
Was gesagt wurde und was gemeint ist, ist im zwischenmenschlichen Miteinander oft ein Buch mit sieben Siegeln. So ging es vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) auch um die Frage, wie weit sich die Bedeutung interpretieren lässt, ein angebotenes und schließlich verkauftes Pferd sei “etwas dominant”, während ein ehemaliger Vorbesitzer “schwierig im Umgang” für die trefflichere Beschreibung hielt. Interpretationssache oder arglistige Täuschung?
Eine Frau hatte für etwas über 5.000 EUR die betreffende Stute gekauft. In dem Vertrag stand, dass das Pferd “etwas dominant” sei. Die Verkäuferin selbst hatte das Pferd erst einen Monat zuvor von dem Voreigentümer zu einem deutlich geringeren Preis gekauft – mit dem Hinweis, es sei “schwierig im Umgang”. Nun musste die neue Besitzerin leider feststellen, dass das vermeintlich “etwas dominante” Pferd recht aggressive Verhaltensweisen zeigte. Es ließ sich nicht reiten, legte die Ohren an, lief mit gesenktem Kopf auf die Mitarbeiter zu und keilte aus. Daraufhin wurde der Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten. Schließlich klagte die Käuferin die Rückabwicklung des Vertrags ein.
Das OLG entschied nach Durchführung einer Beweisaufnahme, dass der Käuferin ein Anfechtungsrecht zustand. Die Verkäuferin hat ihr daher den Kaufpreis Zug um Zug gegen die Herausgabe des Pferds zu ersetzen. Daneben kann die Käuferin auch teilweise die Zahlung der Kosten für Unterstellung, Fütterung und notwendige Tierarztkosten für das Pferd verlangen. Denn die Verkäuferin hat Kenntnis vom aggressiven Verhalten des Pferdes gehabt. Daher hatte sie eine Aufklärungspflicht gegenüber der unwissenden Käuferin. Das aggressive Gebaren des Pferds ging eindeutig über ein als “etwas dominant” beschriebenes Verhalten hinaus.
Hinweis: Wer etwas verkauft, sollte Mängel nicht verschweigen. Das ist nicht nur unfair, sondern kann auch harte rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 30.01.2025 – 8 U 215/22
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Onlinebanking gilt als sicher, solange sich die Kunden an die ordnungsgemäße Nutzung halten. Im Folgenden war eine eigentlich sichere Zwei-Faktor-Authentisierung, bei der ein online ausgelöster Auftrag auf einem anderen onlinefähigen Gerät bestätigt werden muss, durch einen dritten Faktor gestört: einen angeblichen Mitarbeiter am Telefon. Das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) musste entscheiden, ob der folglich entstandene Schaden erstattungsfähig war oder nicht.
Eine Frau hatte bei ihrer Bank ein Girokontomodell mit Online-Banking und dem sogenannten push-TAN-Verfahren gewählt. Bei diesem Verfahren wird die jeweilige Freigabe eines an einem onlinefähigen Gerät ausgelösten Bankingauftrags auf einem weiteren Gerät – Smartphone oder Tablet – per spezieller App erteilt. Dann jedoch erhielt die Bankkundin einen Anruf eines angeblichen Bankmitarbeiters, der von einem Versuch einer unberechtigten Kreditkartenanmeldung berichtete. Er forderte die Frau auf, das push-TAN-Verfahren durchzuführen, um die Kreditkartenanmeldung zu ihrem Konto zu löschen. Auf seine Anweisung hin wiederholte sie diesen Vorgang viermal. Er gab ihr anschließend die Auskunft, dass ihr Konto zur Sicherheit gesperrt werde, sie aber mit der EC-Karte weiterhin zahlen könne. Von dem Konto der Frau wurden schließlich mittels einer neu registrierten Kreditkarte insgesamt knapp 8.000 EUR abgebucht. Als die Bank die Regulierung des Schadens ablehnte, klagte die Frau – allerdings vergeblich.
Die Frau hatte nach Auffassung des OLG pflichtwidrig einen durch Dritte veranlassten Buchungsvorgang im Wege des push-TAN-Verfahrens freigegeben. Aus den Sicherheitshinweisen der Bank ergab sich jedoch eindeutig, dass Bankmitarbeiter am Telefon niemals dazu auffordern, eine TAN zu nennen oder einen Auftrag mit der push-TAN-App freizugeben. Die Frau hätte durch den Telefonanruf misstrauisch werden müssen.
Hinweis: Wer telefonisch eine geheime Nummer freigibt, muss sich nicht wundern, dass die Bank keinen Schadensersatz leisten muss. Sparkassen, Banken, Versicherungen und alle anderen Unternehmen rufen niemals an und verlangen die Preisgabe oder Verwendung von geheimen Informationen.
Quelle: OLG Braunschweig, Urt. v. 06.01.2025 – 4 U 439/23
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Unternehmen sollten sich in Sachen Eigensicherung den folgenden interessanten und äußerst praxisrelevanten Fall des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) gut merken. Denn er betrifft den Rechnungsversand per E‑Mail – also den Weg, den wohl die meisten Firmen in Deutschland mittlerweile wählen, um an ihr Geld zu kommen.
Ein Unternehmen führte Installationsarbeiten im Haus einer Kundin durch. Zwei der insgesamt drei Rechnungen wurden durch sie auch problemlos bezahlt. Dann folgte eine dritte Rechnung über 15.000 EUR, die genau wie die vorherigen Rechnungen per E‑Mail im PDF-Format übermittelt wurde. Auch diesen Betrag beglich die Kundin zwar, doch kam das Geld beim Installationsunternehmen nie an. Denn die Rechnung war auf ungeklärte Weise durch einen Dritten manipuliert und damit der berechnete Betrag auf das Konto dieses unbekannten Dritten überwiesen worden. Nun wollte das Unternehmen seine Rechnung (trotzdem) bezahlt bekommen – irgendwie verständlich. Und die Kundin – ebenso verständlich – weigerte sich, so dass das Ganze vor dem OLG landete.
Wenn eine per E‑Mail versandte Werklohnrechnung gehackt und unbefugt verändert wird und der Kunde deshalb an einen unbekannten Dritten zahlt, muss der Kunde laut Urteil des OLG nicht noch einmal an den Werkunternehmer zahlen. Das gilt jedenfalls dann, wenn dieser die Rechnung ohne sogenannte “Ende-zu-Ende-Verschlüsselung” versandt hat und deshalb gegen ihn ein Schadensersatzanspruch aus Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung besteht.
Hinweis: Das Urteil hat Sprengkraft, denn letztendlich wird nahezu jedes Unternehmen mit dem vorbezeichneten Risiko bedroht sein. Der Versand von Rechnungen per E‑Mail ohne weitere Verschlüsselung birgt ab sofort enorme Risiken.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches OLG, Urt. v. 18.12.2024 – 12 U 9/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Einen interessanten Fall des Reiserechts musste das Landgericht München II (LG) entschieden. Hierbei ging es um auf dem Hinflug verirrtes Reisegepäck, das nicht etwa nachreisen konnte, sondern durch seine Verspätung von der Reise ausgeschlossen wurde. Und weil es hier nicht nur auf hohe See, sondern in die Polarregion ging, war klar, dass es sich beim Streit nicht um den Ersatz von leichter Strandkleidung handeln dürfte.
Auf dem Hinflug zu einer elftägigen Pauschalreise nach Longyearbyen in Norwegen mit anschließender Kreuzfahrt “Auf den Spuren der Eisbären” für zwei Personen ging das Gepäck verloren. Deshalb kauften die beiden vor der Abfahrt des Schiffs in Outdoorläden in Longyearbyen das Notwendigste nach. An Bord des Schiffs gab es zudem eine Boutique und einen Wäscheservice, Schuhe und Parka für die Expeditionen an Land wurden wiederum gestellt. Insgesamt zahlten die beiden Reisenden ca. 2.300 EUR. Die Reiseveranstalterin erstattete außergerichtlich 25 % vom gezahlten Reisepreis und 1.500 EUR für die Ersatzbeschaffungen. Das reichte den Reisenden nicht und sie klagten den Restbetrag für die Ersatzbeschaffungen, weitere 15 % vom gezahlten Pauschalreisepreis und einen “Schadensersatzanspruch für entgangene Urlaubsfreuden” ein.
Das LG entschied, dass der gezahlte Reisepreis um 30 % gemindert werden kann, wenn das Gepäck des Pauschalreisenden bei dem Hinflug zu spät ausgeliefert wird und deshalb während einer Kreuzfahrt in die Arktis nicht zur Verfügung steht. Bei den Ersatzbeschaffungen der Bekleidung dürfte kein Abschlag für Vermögensvorteile vorgenommen werden. Zwar können die Sachen nach der Rückkehr noch benutzt werden, die Reisenden hatten jedoch überzeugend dargelegt, dass sie die eigens für eine Expedition in die Arktis gekaufte Funktionsbekleidung nicht mehr benötigen. Anders verhielt sich dies bei den Verbrauchsartikeln wie Waschmittel oder Zahnpasta, denn die Reisenden erhielten ihre Koffer bei der Rückkehr von der Reise zurück und konnten die darin enthaltenen Verbrauchsartikel weiter nutzen. Ein Schadensersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit bestand ebenfalls nicht. Bei einer Expeditionsreise kommt es im Wesentlichen auf die landschaftlichen Aspekte der Polarregion sowie der Tierwelt an. Die Annehmlichkeiten an Bord eines Expeditionsschiffs bilden nicht den Kernbereich einer Expeditionsreise.
Hinweis: Wie bei jedem Mangel im Reiserecht ist es wichtig, dass Betroffene den Mangel rechtssicher feststellen lassen und auch sofort bei der Reiseleitung rügen.
Quelle: LG München II, Urt. v. 10.01.2025 – 14 O 2061/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 05/2025)
Mit dem Personal, das für das Gepäck an den Flughäfen verantwortlich zeichnet, möchte man sicher nicht tauschen. Doch alles Verständnis für die körperlich schwere Arbeit ist meist verflogen, wenn der eigene Koffer verschwunden bleibt. Wer Glück hat, bekommt sein Gepäck zwar verspätet, aber dennoch wohlbehalten zurück. Im Fall des Landgerichts Saarbrücken (LG) ging die Sache mit dem Koffer jedoch anders aus.
Ein Mann war mit seiner Familie in den Sommerurlaub geflogen. Bei der Rückkehr in Deutschland meldete er das Fehlen seines Koffers am Schalter der Fluggesellschaft. Am 31. August wurde der Koffer dem Mann nach Hause gebracht. Am 7. September reklamierte die Ehefrau des Manns auf der Internetseite der Fluggesellschaft die Schäden an dem Koffer sowie fehlenden Inhalt. Das Schloss sei abgebrochen gewesen, und es würden unter anderem ein Föhn im Wert von knapp 500 EUR sowie zwei Ringe im Wert von 119 EUR und 129 EUR fehlen. Insgesamt wären Gegenstände im Wert von knapp 1.400 EUR verschwunden. Als die Fluggesellschaft sich weigerte, zu zahlen, klagte der Mann sein Geld ein.
Die Klage wurde vom LG jedoch abgewiesen. Zwar hatte der Mann grundsätzlich einen Anspruch aus Art. 17 Abs. 2 des Montrealer Übereinkommens (MÜ). Allerdings war der Anspruch nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 MÜ befristet. Im Fall einer Beschädigung muss der Empfänger unverzüglich nach Entdeckung des Schadens eine Anzeige erstatten, bei aufgegebenem Reisegepäck jedenfalls binnen sieben Tagen nach der Annahme. Bei dieser Frist handelt es sich jedoch um eine Höchstfrist, die auch – zunächst – verdeckte Schäden erfasst. Diese Frist kann dabei nicht immer voll ausgeschöpft werden. Bei einem erkennbar äußerlich beschädigten Koffer muss der Inhalt grundsätzlich direkt kontrolliert werden. Und das war hier nicht passiert.
Hinweis: Die Schadensfeststellung muss innerhalb der Mindestfrist erfolgen, die notwendig ist, um den Schadensfall zu prüfen und eine inhaltlich und formell ausreichende Schadensanzeige zu übermitteln. So wird auch in diesem Fall deutlich, dass eine ordnungsgemäße Anzeige des Mangels im Reiserecht zur Durchsetzung von Ansprüchen enorm wichtig ist.
Quelle: LG Saarbrücken, Urt. v. 12.12.2024 – 13 S 70/24
zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 05/2025)