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Zum Thema Arbeitsrecht
- Fehler bei Betriebsratswahl: Wahlausschreiben muss auch abwesenden Arbeitnehmern zugänglich gemacht werden
- Größe des Betriebsratsbüros: Freigestellten Betriebsratsmitgliedern stehen acht Quadratmeter zu
- Pflichtverletzung durch Betriebsratsvorsitzenden? Reine Verdachtsmomente reichen nicht für Ersetzung der Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung
- Unwirksame Kündigung: Vorerst ist der Ersatz von Fahrtkosten zu einer anderen Arbeitsstätte abgelehnt
- Wissenschaftliche Redlichkeit: Bewiesene Plagiatsvorwürfe berühren Kernbereich von Professorenpflichten und führen zur Kündigung
Das Feld der Betriebsratswahl ist weit und mit allerlei Stolperfallen bestückt – vor allem in Betrieben, in denen eine solche Wahl noch nicht zur Routine gehört. Läuft eine Betriebsratswahl nicht ordnungsgemäß ab, wird sie meistens angefochten und im schlimmsten Fall wiederholt. So geschah es auch in diesem Fall vor dem Thüringer Landesarbeitsgericht (LAG).
In einem großen Einzelhandelsunternehmen mit bundesweit 17 Niederlassungen wurden durch einen Zuordnungstarifvertrag Betriebsratsregionen gebildet. Die Betriebsratsregion Ost umfasste 870 Filialen mit ca. 14.500 Mitarbeitern. In dieser Region wurde dann eine Betriebsratswahl durchgeführt. Der Wahlvorstand fertigte ein sogenanntes Wahlausschreiben und versandte es auf elektronischem Weg in die Filialen. Dort wurde es wunschgemäß ausgedruckt und aufgehängt. Zu diesem Zeitpunkt waren jedoch mindestens 292 Mitarbeiter unter anderem wegen Mutterschutz, Elternzeit und Erkrankungen dauerhaft nicht in den Filialen beschäftigt. Nach Ablauf der Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen versandte der Wahlvorstand das Wahlausschreiben auch an die dauerhaft abwesenden Mitarbeiter – allerdings erst zusammen mit den Unterlagen für die Briefwahl. Schließlich wurde gewählt, und der Wahlvorstand gab das Wahlergebnis bekannt. Eine ganze Reihe von Arbeitnehmern erklärte daraufhin gerichtlich die Anfechtung der Wahl.
Das LAG gab dem Antrag statt und erklärte die angefochtene Betriebsratswahl für unwirksam. Die Versendung des Wahlausschreibens an die zum Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht präsenten Arbeitnehmer sei zu spät erfolgt. § 3 Abs. 4 Satz 4 der Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes verpflichtet den Wahlvorstand, das Wahlausschreiben unmittelbar nach seinem Erlass den Personen zugänglich zu machen, von denen ihm bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden. Die Versendung erst mit den Briefwahlunterlagen nach Ablauf der Fristen für Einsprüche gegen die Wählerliste und Einreichung von Wahlvorschlägen ist ein grundsätzlich zur Wahlanfechtung berechtigender Verstoß gegen eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren.
Hinweis: Alle Beteiligten sollten bei einer Betriebsratswahl versuchen, die geltenden Gesetze einzuhalten, um unangenehme Wahlwiederholungen zu vermeiden.
Quelle: Thüringer LAG, Beschl. v. 27.03.2024 – 4 TaBV 13/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2024)
Wie viel Fläche welchen Mitgliedern eines Betriebsrats am Arbeitsplatz geboten werden muss, war eine Frage, die das Landesarbeitsgericht Köln beantworten musste. Sinn und Zweck sowie Umfang der dort verrichteten Arbeit waren dabei für die Beantwortung ausschlaggebend.
Der Arbeitgeber des Falls hatte rund 70 Filialen, in denen 3.500 Mitarbeiter beschäftigt waren. Für einen Teilbetrieb mit 125 Mitarbeitern gab es für den installierten siebenköpfigen Betriebsrat ein Büro von 21 Quadratmetern Größe. Da dem Betriebsrat diese Fläche zu klein war, verlangte er ein Büro mit 28 Quadratmetern und zog deshalb vor das Arbeitsgericht – dies jedoch vergeblich.
Maßstab für die Größe des Betriebsratsbüros ist nach den Richtern die Anzahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder des Betriebs, denn nur diese werden regelmäßig dort arbeiten. Nach § 3a Abs. 1 Arbeitsstättenverordnung in Verbindung mit der Technischen Regel für Arbeitsstätten (ASR) A 1.2 muss jeder Arbeitsraum bei einem Arbeitsplatz mindestens eine Bürofläche von acht Quadratmetern aufweisen, für jeden weiteren Mitarbeiter zusätzliche acht Quadratmeter. Für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze ergibt sich bei Einrichtung von Büros als Richtwert ein Flächenbedarf von acht bis bis zehn Quadratmetern je Arbeitsplatz, einschließlich Möblierung und anteiliger Verkehrsflächen im Raum. Bei einer betrieblichen Arbeitnehmerzahl von 125 Köpfen ergibt sich (nach § 38 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz) jedoch nur ein Anspruch auf die Freistellung eines Betriebsratsmitglieds – 21 Quadratmeter waren damit nicht nur vollkommen ausreichend, sondern nach den genannten Prämissen sogar viel zu groß.
Hinweis: Das Betriebsratsbüro muss so groß sein, dass Freigestellte hier arbeiten können. Platz für Betriebsratssitzungen oder Sprechstunden muss es nicht bieten. Hierfür müssen dann andere Räume zur Verfügung gestellt werden.
Quelle: LAG Köln, Beschl. v. 09.02.2024 – 9 TaBV 34/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2024)
Wenn ein Mitglied des Betriebsrats gekündigt werden soll, muss das Betriebsratsgremium vor der Kündigung zustimmen. Tut es das nicht, kann der Arbeitgeber versuchen, die Zustimmung durch das Arbeitsgericht ersetzen zu lassen – so wie in diesem Fall von dem Landesarbeitsgericht Hamm (LAG).
Ein Maschinenbauunternehmen beabsichtigte, dem für die Betriebsratsarbeit freigestellten Vorsitzenden des Betriebsrats eine außerordentliche Verdachtskündigung auszusprechen. Dabei berief es sich auf den dringenden Verdacht der unzutreffenden Dokumentation von Arbeitszeiten und einen dadurch ihr entstandenen Vermögensschaden. Der Betriebsrat verweigerte jedoch die notwendige Zustimmung. Deshalb beantragte das Unternehmen, die Zustimmung des Betriebsrats zum Ausspruch der Verdachtskündigung des Betriebsratsvorsitzenden ersetzen zu lassen.
Dem kam das LAG hier jedoch nicht nach. Zwar bestanden Verdachtsmomente, jedoch kein hierfür erforderlicher dringender Verdacht der Pflichtverletzung. Sobald auch andere Geschehensabläufe denkbar sind, die den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nicht rechtfertigen würden, fehlt es an einem wichtigen Grund zur Rechtfertigung der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung.
Hinweis: Betriebsräte sind durch das Kündigungsschutzgesetz besonders vor einer Kündigung geschützt. Das ist auch richtig und gut, denn andernfalls könnten sie ihren gesetzlichen Aufgaben aus dem Betriebsverfassungsgesetz nicht ordnungsgemäß nachkommen.
Quelle: LAG Hamm, Beschl. v. 10.05.2024 – 12 TaBV 115/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2024)
Stellen Sie sich vor, Sie erhalten eine Kündigung und klagen dagegen erfolgreich an. In der Zeit des Verfahrens arbeiten Sie bei einem anderen Arbeitgeber, haben aber erhöhte Fahrtkosten. Können Sie diese nach Erfolg Ihrer Klage auch ersetzt verlangen? Das Arbeitsgericht Bonn (ArbG) verneint dies. Ob diese Auffassung Bestand haben wird, wird die Zukunft jedoch noch zeigen müssen.
Mit Schreiben vom 13.09.2021 kündigte eine Arbeitgeberin fristlos das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer. Dieser legte eine Kündigungsschutzklage ein und gewann sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz. Mit Schreiben vom 27.06.2023 machte er deshalb umfangreiche Annahmeverzugsansprüche geltend. Während des dauernden Annahmeverzugs bezog er zunächst Arbeitslosengeld. Danach verdiente er bei einem anderen Arbeitgeber insgesamt 64.000 EUR brutto. Die Arbeitgeberin zahlte dem Arbeitnehmer etwas über 20.000 EUR brutto Annahmeverzugsvergütung. Jedoch stritten sich die Parteien weiter über Zahlungen: Der Arbeitsweg des Arbeitnehmers zum Arbeitsplatz bei der beklagten Arbeitgeberin betrug 13 km bis 16 km (einfache Strecke) – der Weg zum Arbeitgeber, bei dem er anderweitigen Erwerb erzielte, belief sich jedoch auf 45 km bis 46 km für die kürzeste Straßenverbindung (einfache Strecke). Der Arbeitnehmer war nun der Ansicht, dass die Arbeitgeberin ihm die zusätzlichen Fahrtkosten für die Erzielung anderweitigen Erwerbs im Wege des Schadensersatzes zu ersetzen habe.
Diese Auffassung teilte das ArbG jedoch nicht. Spricht der Arbeitgeber eine unwirksame Kündigung aus und hat der Arbeitnehmer zur Erzielung anderweitigen Verdienstes während des Annahmeverzugszeitraums höhere Fahrtkosten als bei einem fortgeführten Arbeitsverhältnis, besteht grundsätzlich kein Anspruch auf Schadensersatz gegen den Arbeitgeber, der auf den Ersatz dieser Fahrtkosten gerichtet ist. Die Fahrtkosten während des Annahmeverzugs hat der Arbeitnehmer freiwillig auf sich genommen. Es handelte sich nach Auffassung des Gerichts also um Aufwendungen, die nicht zu ersetzen sind.
Hinweis: Ob diese Entscheidung Bestand haben wird, muss sich zeigen. Sicherlich kann mit genauso guten Argumenten die Geltendmachung des Schadens befürwortet werden. Es wird abzuwarten sein, wie eine höhere Instanz die Angelegenheit beurteilen wird. Arbeitnehmer in vergleichbarer Lage sollten daher zunächst versuchen, die Kosten trotz dieses Urteils durchzusetzen.
Quelle: ArbG Bonn, Urt. v. 24.04.2024 – 5 Ca 1149/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2024)
Vertrauensbruch ist ein absoluter Kündigungsgrund. Manchmal wiegt ein solcher sogar so schwer, dass Arbeitgeber fast gar nicht anders können, als sich von einem Arbeitnehmer zu trennen. In diesem Fall, der vor dem Arbeitsgericht Bonn (ArbG) landete, handelte es sich um eine Professorin der Universität Bonn, die es mit der wissenschaftlichen Redlichkeit nicht ganz genau genommen hatte.
Die angestellte Professorin im Fachbereich Politikwissenschaften wurde zum 31.03.2023 entlassen, nachdem ihr vorgeworfen wurde, die Grundsätze der guten wissenschaftlichen Praxis nicht eingehalten zu haben, indem sie in insgesamt drei ihrer Publikationen jeweils an verschiedenen Stellen plagiiert habe. Die Professorin meinte, es handele sich nur um Zitierfehler in Schriften mit populärwissenschaftlichem Charakter. Sie klagte deshalb gegen die Kündigung, scheiterte aber vor Gericht.
Laut Auffassung des ArbG hatte die Professorin jedenfalls in einer ihrer Publikationen, die sie im Rahmen ihrer Bewerbung vorlegte, die Grundsätze der wissenschaftlichen Redlichkeit vorsätzlich nicht eingehalten. Das stellte in einem Bewerbungsverfahren um einen universitären Lehrstuhl eine wesentliche Pflichtverletzung dar.
Hinweis: Wegen der Schwere der Verletzung in einem Kernbereich der Pflichten einer Professorin war auch eine vorherige Abmahnung als milderes Mittel ausnahmsweise nicht erforderlich.
Quelle: ArbG Bonn, Urt. v. 24.04.2024 – 2 Ca 345/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 07/2024)