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Zum Thema Arbeitsrecht
- Dokumentation durch Arbeitgeber: Fristlose Kündigung nach sexueller Belästigung einer Auszubildenden rechtmäßig
- Fiktive Beförderung: Nicht freigestelltes Betriebsratsmitglied bekommt mehr Gehalt zugesprochen
- Mindestlohn im Ashram: Rückwirkende Zahlung von 42.000 EUR an Volljuristin für dreijährigen Sevadienst
- Wegfall eines Arbeitsplatzes: Aufteilung von Restaufgaben muss konkret dargestellt werden
- Wenn, dann richtig: Urlaub muss als solcher eindeutig gewährt werden, um entsprechend anrechenbar zu sein
Arbeitgeber sind verpflichtet, ihre Arbeitnehmer vor sexuellen Belästigungen zu beschützen. Im folgenden Fall vor dem Arbeitsgericht Solingen (ArbG) ist der Arbeitgeber dieser Verpflichtung dadurch nachgekommen, dass er die fristlose Kündigung seines Arbeitnehmers auf ein stabiles Fundament aufgrund der lückenlosen Dokumentation stellen konnte.
Ein Arbeitnehmer war zunächst als Leiharbeiter im Bereich Lagerlogistik tätig und wurde im Jahr 2022 vom Entleiher unbefristet in ein Arbeitsverhältnis übernommen. Mehrere Arbeitskolleginnen informierten am 28.08.2023 den direkten Vorgesetzten darüber, dass eben jener Arbeitnehmer eine Auszubildende mehrfach sexuell belästigt habe. Der Arbeitgeber leitete Ermittlungen ein und hörte die Auszubildende und den Arbeitnehmer an. Die Auszubildende schilderte, dass sie mehrfach von dem Arbeitnehmer am Bein, Hintern, der Brust und im Schritt berührt worden sei. Zudem habe er auch ihre Hand an seinen Schritt gelegt. Sie habe zwar andere Kolleginnen gewarnt, sich selbst jedoch nicht getraut, den Arbeitnehmer bei Vorgesetzten zu melden. An einem anderen Tag habe der Arbeitnehmer sich an ihr gerieben und sie zum Oralverkehr aufgefordert. Aus Angst habe sie mitgemacht. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich sowohl als Tat- als auch als Verdachtskündigung. Der Arbeitnehmer klagte hiergegen und bestritt sämtliche Anschuldigungen. Diese seien frei erfunden und strafbare Verleumdungen.
Das ArbG wies die Klage ab – die fristlose Kündigung war wirksam. Der Arbeitgeber habe den Sachverhalt umfassend ermittelt und Protokolle der Gespräche mit der Auszubildenden, weiteren Kollegen sowie WhatsApp-Chat-Protokolle vorgelegt. Aus diesen hätten sich nachvollziehbar und glaubhaft mehrere sexuelle Belästigungen durch den Arbeitnehmer ergeben. Dieser habe die Angst und Unsicherheit der Auszubildenden sowie seine Machtposition ausgenutzt. Anderslautende Erklärungen oder Darstellungen des Arbeitnehmers seien nicht glaubhaft und bloße Schutzbehauptungen. Er habe sogar versucht, sich als Opfer darzustellen. Eine Einsicht in Fehlverhalten und eine Entschuldigung seien nicht erfolgt.
Hinweis: Liegt nach langjähriger Tätigkeit im Betrieb ein erstmaliges geringeres Fehlverhalten vor, ist eine Kündigung ohne Abmahnung nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt. Zu welchen Mitteln ein Arbeitgeber greifen sollte, hängt auch vom sogenannten Nachtatverhalten ab.
Quelle: ArbG Solingen, Urt. v. 11.04.2024 – 2 Ca 1497/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2024)
Die Vergütung von freigestellten Betriebsräten führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern. Hier ging es um ein nichtfreigestelltes Mitglied, das folglich zwei Aufgabenbereiche gleichzeitig zu bewerkstelligen hatte: seine Arbeit und die Betriebsratstätigkeit. Ob sich diese Doppelbelastung auf die übliche Beförderungspraxis zum Nachteil des Mitarbeiters niederschlagen darf, entschied das Landesarbeitsgericht Hessen (LAG).
Der Arbeitnehmer, ein Unternehmensberater bei einer großen Beratungsfirma, arbeitete im Projektgeschäft und war gleichzeitig nicht freigestelltes Mitglied im Betriebsrat. Seine Betriebsratstätigkeit hatte zur Folge, dass er in der internen Projektzuteilung immer häufiger leer ausging. Die Folge war, dass der Arbeitnehmer in den jährlich stattfindenden Beförderungsrunden keine Berücksichtigung fand. In seiner Klage berief sich der Beschäftigte auf den Entgeltschutz für Betriebsräte nach § 37 Abs. 4 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) – er verlangte eine höhere Bezahlung und stellte sich auf den Standpunkt, dass er entsprechend seiner Vergleichsgruppe höher eingestuft werden müsse. Das begründete er damit, dass seine vergleichbaren Kollegen wesentlich kürzer auf den jeweiligen Stellen arbeiteten, bevor sie befördert wurden.
Das LAG entschied in der Tat zugunsten des Arbeitnehmers. Denn das Gericht war davon überzeugt, dass der Arbeitnehmer nur wegen seiner Betriebsratstätigkeit nicht in den Genuss eines weiteren beruflichen Aufstiegs gekommen sei. Für den Beschäftigten bestehe deshalb ein Anspruch auf eine fiktive Beförderung nach § 78 Satz 2 BetrVG.
Hinweis: Die Reform der Betriebsratsvergütung ist Ende Juli 2024 in Kraft getreten. Seitdem ist das Benachteiligungsverbot durch einen Mindestvergütungsanspruch ergänzt worden. So darf das Arbeitsentgelt von Betriebsräten nicht geringer bemessen werden als das Entgelt vergleichbarer Kollegen mit betriebsüblicher Entwicklung.
Quelle: LAG Hessen, Urt. v. 17.03.2024 – 10 Sa 923/22
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2024)
An das Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) wurde folgender Fall zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Einem Yoga-Ashram-Verein wurde zuvor die Ausnahme für eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft verweigert. Außerhalb des damit verbundenen Selbstordnungs- und Selbstverwaltungsrechts musste das LAG nun entscheiden, was eine einstige Ashramjüngerin rückwirkend für ihre dortigen Dienste erwarten dürfe.
Der gemeinnützige und eingetragene Verein betrieb mehrere Zentren und Seminarhäuser. Es ging letztendlich um Yoga-Ashrams. Dort waren Mitarbeiter als sogenannte Sevakas (Aspiranten, Lernende, Yoga-Schüler, Übende) tätig. Diese lebten für einige Zeit in einem Ashram des Vereins und verrichteten entsprechende Sevadienste in der Küche, im Haushalt, im Garten, in der Gebäudeunterhaltung, in der Werbung und in der Buchhaltung. Auch der Yoga-Unterricht und die Leitung von Seminaren gehörten zu ihren Aufgaben. Eine der Mitarbeiterinnen war ursprünglich als Volljuristin tätig, bevor sie sich als Sevaka verdingte. Nach dem Austritt aus dem Verein machte sie nun geltend, es hätte sich bei ihrem Sevadienst um ein Arbeitsverhältnis gehandelt, und daher müsse sie rückwirkend auch eine Vergütung erhalten, die über das vom Verein gezahlte “Taschengeld” hinausginge.
Das LAG entschied in der Tat, dass der Verein für dreieinhalb Jahre insgesamt rund 42.000 EUR brutto nachzuzahlen habe. Maßgeblich seien die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie weitere Zeiten mit Vergütungspflicht. Hierfür falle der gesetzliche Mindestlohn an. Der Verein könne sich nicht darauf berufen, dass der Dienst für eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft erbracht worden sei. Diese Ausnahme sei hier nicht gegeben, vielmehr bestehe daher ein Arbeitsverhältnis. Auch die Vereinsautonomie stehe dem Zahlungsanspruch nicht entgegen.
Hinweis: Falls Ihnen der Fall bekannt vorkommt, könnte das daran liegen, dass sich bereits das BAG damit auseinandersetzen musste. Dieses hatte entschieden, dass in dieser Sache keine Ausnahme für eine Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaft gemacht werden durfte, und sie daher an das LAG zurückverwiesen.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 14.05.2024 – 6 Sa 1128/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2024)
Mit diesem Urteil wird deutlich, welche Argumente Arbeitgeber vortragen müssen, um bei einer Einsparung von Personal vor den Arbeitsgerichten erfolgreich zu sein. Das Arbeitsgericht Erfurt (ArbG) musste davon überzeugt werden, dass die betriebsbedingte Kündigung eines Hauswarts unvermeidlich war. Und so viel sei gesagt: Es ist dem Arbeitgeber nicht gelungen.
Ein 61-jähriger Arbeitnehmer war in einem Hotel als einziger Hausmeister beschäftigt. Dann kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist. Durch den Geschäftsführer sei eine Unternehmensentscheidung zur Kostenreduzierung getroffen worden – insbesondere zur Reduzierung der Personalkosten. In Umsetzung dieser Kostenreduzierung sei der Beschäftigungsbedarf des Arbeitnehmers weggefallen. Einige Tätigkeiten des Arbeitnehmers seien eingestellt oder ausgelagert worden. Die verbliebenen Arbeiten könnten unproblematisch auf die anderen Mitarbeiter verteilt werden – diese hätten immer Freiräume zur Übernahme zusätzlicher Arbeiten. Das wollte sich der Arbeitnehmer so nicht gefallen lassen und legte erwartungsgemäß eine Kündigungsschutzklage ein. Insbesondere behauptete er, die von ihm erledigten Tätigkeiten könnten nicht ohne weiteres auf andere Arbeitnehmer übertragen werden. Dabei würden Überstunden bei anderen Arbeitnehmern anfallen.
Das ArbG gab dem Arbeitnehmer Recht und meinte ebenfalls, dass die Kündigung sozialwidrig sei. Erschöpfe sich die unternehmerische Entscheidung im Wesentlichen darin, Personal einzusparen, sei diese vom Kündigungsentschluss selbst kaum zu unterscheiden. Der Arbeitgeber hätte seine Entscheidung hinsichtlich der organisatorischen Durchführbarkeit und zeitlichen Nachhaltigkeit der Arbeitsaufteilung verdeutlichen müssen. Nur so könne ein Gericht überhaupt erst prüfen, ob der Arbeitsplatz wirklich weggefallen sei. Hier habe der Arbeitgeber nicht einmal konkret dargelegt, mit welchen Zeitanteilen der Arbeitnehmer seine jeweiligen Aufgaben wahrgenommen hat. Der Vortrag hierzu war viel zu pauschal und für das ArbG nicht nachprüfbar gewesen. Auch fehlte es an konkretem Vortrag, welche der bisherigen Aufgaben von anderen Mitarbeitern in welchem Umfang bereits übernommen wurden.
Hinweis: Es hätte das Arbeitsvolumen der bisherigen Mitarbeiter dargestellt werden müssen, um zu prüfen, ob die anfallenden Arbeiten von ihnen ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden könnten. Der Arbeitgeber hatte hier entweder gar nichts dazu vorgetragen oder nur pauschal behauptet, die Tätigkeiten seien von den übrigen Mitarbeitern ohne obligatorische Arbeit zu erledigen gewesen. So konnte der Arbeitgeber die Kündigungsschutzklage nicht gewinnen.
Quelle: ArbG Erfurt, Urt. v. 23.04.2024 – 6 Ca 40/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2024)
Mal ein paar Tage hintereinander frei zu haben, klingt wie Urlaub. Jedoch ist es rechtlich gesehen noch lange kein Urlaub, wenn ein Arbeitnehmer an mehreren (Arbeits-)Tagen im Jahr frei hat. Dass der Arbeitgeber dafür also entsprechende Urlaubstage anrechnen darf, ist nicht rechtens, wie der Arbeitgeber in einem Barbershop kürzlich vor dem Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) lernen musste.
Sein Arbeitnehmer war in Teilzeit in einem Barbershop beschäftigt und arbeitete dort sehr unregelmäßig. An einzelnen Tagen kam er auf viele Überstunden, ein anderes Mal hatte er mehrere Arbeitstage hintereinander frei. Eine nachvollziehbare Aufstellung über seinen Einsatz führte weder er noch sein Arbeitgeber. Dann wurde das Arbeitsverhältnis beendet, und der Arbeitnehmer verlangte – wie so häufig – daraufhin auch die Ausbezahlung seines Urlaubs, die sogenannte Urlaubsabgeltung. Er war nämlich der Auffassung, dass er noch seinen vollen Urlaubsanspruch in Höhe von 30 Tagen habe, da ihm zu keinem Zeitpunkt Urlaub gewährt worden sei. Schließlich klagte er die Abgeltung der 30 Tage ein. Der Arbeitgeber meinte hingegen, dass der Arbeitnehmer immer wieder freie Arbeitstage gehabt habe und damit seinen Urlaub in Anspruch genommen hatte.
Die LAG-Richter stellten sich jedoch hinter den Arbeitnehmer – der Arbeitgeber wurde zur finanziellen Abgeltung von 30 Urlaubstagen verurteilt. Eine Urlaubsgewährung setze nämlich stets voraus, dass der Arbeitnehmer auch erkennen kann, dass seine Freistellung der Erfüllung des Urlaubsanspruchs diene und nicht etwa als Freizeitausgleich für Überstunden. Der Arbeitgeber hatte hier aber nie eindeutig Urlaub gewährt, so dass der Urlaubsanspruch noch in voller Höhe bestand.
Hinweis: Das Bundesurlaubsgesetz geht davon aus, dass der Arbeitnehmer den Urlaub beantragt und der Arbeitgeber ihm den Urlaub genehmigt – sofern keine dringenden betrieblichen Gründe oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer bestehen.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 19.03.2024 – 5 Sa 68/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 10/2024)