Die krankhafte Eifersucht des Hans D.
Berlin im Sommer 1987: Der Mann sah mich an. In seinen Augen standen Tränen. “Ich bin am Ende. Wenn sie mich wirklich betrügt, weiß ich nicht mehr, wie es weitergehen soll.”
Dann griff Hans D. (47) in seine Brieftasche und zog mit zitternden Fingern ein Farbfoto heraus. Er schob es mir über den Schreibtisch zu. Mein Blick fiel auf das Porträt von Ramona Z. (28). Ich sah in die grünen Augen einer attraktiven, lebenslustigen Frau – blonder Kurzhaarschnitt, sportliche Figur. Seit sieben Jahren war sie die Freundin von Hans D., selbständiger Installateur-Meister aus Neukölln. Sieben Jahre lang lief alles harmonisch. Doch plötzlich war alles anders. Sie veränderte sich, hatte immer weniger Zeit für ihn, traf sich dafür angeblich immer öfter mit ihrer besten Freundin.
Ein typischer Fall von Fremdgehen, dachte ich sofort. Ich habe in meinem Beruf Dutzende ähnliche Fälle erlebt.
Gestatten Sie, dass ich mich zunächst vorstelle: Mein Name ist Stefan Dudzus. Ich bin 40 Jahre alt, arbeite seit über 25 Jahren als Privatdetektiv in Berlin. In dieser Zeit habe ich es wirklich mit den merkwürdigsten Typen zu tun gehabt. Mit fremdgehenden Ehemännern, eifersüchtigen Frauen, dreisten Betrügern, frechen Dieben, gnadenlosen Abzockern und armen Würstchen.
Ein armes Würstchen?
Hans D. schien zu den armen Würstchen zu gehören: Ein Mann, der seiner Freundin jeden Wunsch von den Lippen ablas – und dem seine Liebe mit Fremdgehen “gedankt” wird. So dachte ich zunächst. Dass es am Ende ganz anders aussah, konnte ich da noch nicht ahnen.
Hans D. gab mir Ramonas Foto und beantwortete dann meine üblichen Fragen: Wo sie wohnt (sie hatte ein eigenes Appartement in der Gropiusstadt), wo sie arbeitet ( Sachbearbeiterin in einem Zehlendorfer Immobilienbüro), was für ein Auto sie fährt (Ford Escort, blaues Cabrio), Adressen von Freundinnen und Bekannten.
“Sieben Jahre lang wollte sie immer mit mir zusammenziehen”, vertraute mir der Geschäftsmann noch an. “Ganz lange hab’ ich mich davor gedrückt, weil ich nach einer gescheiterten Ehe immer noch ein bisschen zurückhaltend war. Jetzt war ich innerlich dazu bereit – und nun will Ramona nicht mehr.”
Am nächsten Morgen machte ich mich ans Werk. Um 7 Uhr rangierte ich meinen weißen Audi in eine Parklücke vor dem Hochhaus in der Gropiusstadt, ans Armaturenbrett hatte ich Ramonas Foto geklemmt. Wenig später kam sie raus, stieg in ihren Ford und fuhr los. Ich ließ noch ein paar Wagen vorbeifahren, dann hängte ich mich ran. 40 Minuten später fand sie in der Nähe vom Rathaus Zehlendorf eine Parklücke, stieg aus und marschierte zu ihrem Büro in der Nähe.
Die Beschattung beginnt
Alles ganz normal. Interessant würde es möglicherweise acht Stunden später werden. Dann, nach Feierabend, hatte sie angeblich eine Verabredung mit ihrer besten Freundin Tina – so hatte mir Hans berichtet. Dann würde ich mich mit zwei Mitarbeitern vor dem Bürohaus auf die Lauer legen und Ramona anschließend unauffällig mit drei Autos verfolgen. Für den Kunden ist so etwas immer eine kostspielige Sache, aber schließlich wollte Hans D. Gewissheit haben. Ich nehme übrigens ab 35 Euro aufwärts pro Stunde.
Ramona merkte nicht, dass wir sie beschatteten. Sie fuhr aber tatsächlich zur Adresse ihrer Freundin in Mariendorf. Wir parkten unsere Autos vor dem Haus – und warteten. Warten gehört zu meinem Beruf wie das Salz in die Suppe. Ein Privatschnüffler, der nicht warten kann, sollte schleunigst seinen Job wechseln.
Nach vier Stunden hatte sich noch immer nichts getan. In Tinas Wohnung im 4. Stock brannte Licht, manchmal konnte man hinter den zugezogenen Gardinen einen Schatten erahnen. Ich beschloss, ins Haus zu gehen. Denn es wäre ja möglich gewesen, dass Tina ihrer besten Freundin Ramona die Wohnung zu einem kleinen Tete-a-Tete mit einem Kerl zur Verfügung gestellt hätte.
Ein Stethoskop kommt zum Einsatz
Energisch drückte ich alle Klingelknöpfe (nur Tinas nicht). “Wer is’n da?“, krächzte plötzlich eine mürrische Stimme aus der Gegensprechanlage. Ich murmelte etwas Unverständliches – und schon sprang die Tür mit einem Summen auf. Ich habe übrigens schon oft die Erfahrung gemacht, dass man nur “wirr” genug reden muss, damit einen die Leute für vertrauenswürdig halten…
Ich lief in den 4. Stock, blieb vor Tinas Wohnung stehen, vergewisserte mich, dass niemand über den Flur kam und griff in meinen Aktenkoffer. Sekunden später hatte ich ein elektronisches Stethoskop in der Hand.
Ja, Sie lesen richtig. Ein Stethoskop. So eins, wie es die Ärzte benutzen, wenn’s in der Lunge pfeift und zischt, nur eben elektronisch verstärkt. Mit diesem Ding kann man prima in eine Wohnung hinein horchen.
Es wäre ja denkbar gewesen, dass die flotte Ramona gerade Spielerchen mit einem Mann gemacht hätte. Ich drückte das Stethoskop an die Wohnungstür. Doch was ich hörte, war eindeutig: Zwei Freundinnen ins Gespräch vertieft, ab und zu ein Kichern. Eine Männerstimme war nicht dabei. Ich packte ein, verließ das Haus und setzte mich wieder in den Wagen.
Noch zwei weitere Stunden vergingen, bevor Ramona herauskam, sich in den Escort schwang und zu ihrer Wohnung zurückfuhr. Hans´ Verdacht hatte sich zumindest heute Abend nicht bestätigt.
Wieder mit drei Autos hinterher
Am nächsten morgen rief ich ihn an, um ihm zu berichten. Er ließ nicht locker: “Ich habe gerade mit Ramona telefoniert. Für heute Abend ist sie angeblich schon wieder mit Tina verabredet. Sie wollen in die Disco.”
Na gut, dachte ich. In der Disco sind schon manche Beziehungen in die Brüche gegangen – und neue entstanden. Abends hängten wir uns wieder mit drei Wagen an Ramona. Sie holte Tina ab, dann ging´s zu einem Tanzschuppen in Rudow.
Wir verteilten uns im Laden. Meine Mitarbeiter Enver und Boris lungerten um die Tanzfläche herum, während ich frech auf einen Barhocker direkt neben Ramona und Tina hopste.
So gut es bei lauter Techno-Musik eben ging, versuchte ich, dem Gespräch der beiden zu folgen. Von einem anderen Mann erzählte Ramona jedenfalls nichts. Allerdings: Ich hörte, wie sie sich lange über ihren Hans beklagte. Und ich hörte, wie sie seufzend meinte: “Die nächste Chance nehme ich wahr. Dann weiß ich wenigstens, wofür ich seine Eifersucht ertragen muss.”
Kontaktaufnahme mit der Zielperson
Ich ging aufs Ganze, denn nur selten bietet sich die Chance, mit der Zielperson persönlich Kontakt aufzunehmen: “Hätten Sie Lust, mit mir zu tanzen”, fragte ich. Mit Erfolg. Zwei Drinks später verabschiedete sich Tina augenzwinkernd…
Wir waren uns sympathisch. Zwischendurch entschuldigte ich mich kurz, um von einer nahegelegenen Telefonzelle heimlich meinen Auftraggeber anzurufen und mit ihm mein weiteres Vorgehen abzusprechen. Handys gab es damals noch nicht. Er ließ mir freie Hand.
Dann plauderte ich wieder mit Ramona. Es dauerte nicht lange, bis sie mir von Problemen mit ihrem Freund erzählte. Mir kam eine Idee. Ich dachte mir eine ähnliche Geschichte aus – von wegen meine Frau ist grundlos eifersüchtig und verfolgt mich mit ihrem Misstrauen.
“So ist es mit meinem Freund Hans auch”, sagte Ramona. Sie erzählte mir ihre Geschichte. Plötzlich tat ich ganz überrascht: “Was, er heißt Hans und ist Installateur-Meister in Neukölln? Spielt er etwa auch Tennis?”
Ihr verschlug es die Sprache: Da lernt sie nun einen Mann kennen, und der entpuppt sich als ein Freund ihres Freundes aus dem Tennisclub.
Als ich vorsichtig durchblicken ließ, ihr geschiedener Hans sei früher nicht der treueste Ehemann gewesen, hätte mich Ramonas Reaktion fast umgehauen.
Sie bekam einen Weinkrampf, stieß endlich hervor: “Ja, ich habe ihn betrogen. Aber es war doch nur einmal. Vor ein paar Jahren bin ich nach der Arbeit mit einem Kollegen noch was Trinken gegangen. Und später ist es dann passiert. Ich hatte mich vorher so über Hans geärgert. Dabei liebe ich ihn wirklich. Wenn er doch bloß nicht so ein verdammter Chauvi wäre.”
Ich sperrte meine Lauscher ganz weit auf, als sie weitererzählte. Denn was sie sagte, passte so gar nicht ins Bild des liebevollen Freundes. Ramona: “Sieben Jahre lang hat er mich immer wieder mit dem Zusammenziehen hingehalten, mir nie Blumen mitgebracht. Ganz selten kam er mal zu mir, weil er dazu zu faul war. Immer musste ich in seine Wohnung kommen. Nur deshalb hat er mir den Escort geschenkt…”
Irgendwie ging mir die Sache näher, als ich erst wahrhaben wollte. Ich beschloss, Hans nichts von Ramonas Bettgeschichte zu berichten – schließlich wusste ich das ja nur von ihr selbst. Dieser Seitensprung gehörte nicht zu meinem Auftrag. Stattdessen waren mal wieder meine psychologischen Fähigkeiten gefragt.
Ein überraschendes Happy End
Ich rief Hans an: “Wir können die Sache abschließen”, sagte ich. “Ihre Ramona ist absolut treu. Ich habe aber den Eindruck, dass Sie in Zukunft schon ein bisschen mehr für sie tun sollten. Sie fühlt sich total an die Wand gedrängt.” Hans protestierte nur schwach, als ich ihm einen Vorschlag machte.
Zwei Tage später saß ich mit den beiden zusammen. Natürlich war ich für Ramona auch weiter Hans’ Freund. Es dauerte Stunde um Stunde. Zwischendurch hagelte es immer wieder Vorwürfe von Ramona, und nicht nur eine Träne tropfte auf den Designer-Glastisch in Hans’ Wohnung. Am Schluss fielen sie sich in die Arme und küssten sich so lange, dass sie gar nicht merkten, wie ich lächelnd aus der Wohnung verschwand.
Ein paar Wochen darauf fischte ich eine Postkarte aus dem Briefkasten. Es war eine Einladung. Darauf stand: “Wir heiraten. Ramona und Hans.”