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Zum Thema Arbeitsrecht
- 15.000 EUR Entschädigung: Dauerhafte Kameraüberwachung am Arbeitsplatz kann Arbeitgeber teuer zu stehen kommen
- Arbeitgeber muss nicht warten: Kein Sozialplan, wenn Betriebsrat erst nach Beginn von Betriebsänderungen gegründet wird
- Entscheidungszeitpunkt entscheidet: Gesetzlicher Schwellenwert für Kündigungsschutz nicht durch Staffelentlassungen absenkbar
- Vertrauen zerstört: Fristlose Kündigung nach körperlicher Attacke auf Vorgesetzten rechtens
- Zentrales Schutzrecht: Kein Verzicht auf Arbeitszeugnis vor dem Ende des Jobs möglich
Unternehmen bestehen nachvollziehbarerweise auf die Kontrolle über alle betrieblichen Abläufe. Dass bei der Videoüberwachung des Betriebsgeländes dennoch Vorsicht geboten ist, zeigt dieser Fall, der vor dem Landesarbeitsgericht Hamm (LAG) landete. Auf dem Richtertisch lag eine fast zwei Jahre andauernde, unzulässige Videoüberwachung am Arbeitsplatz und damit auch eine schwerwiegende Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
Ein Stahlunternehmen hatte auf seinem Betriebsgelände insgesamt 34 Kameras installiert. Diese waren rund um die Uhr mit hoher Bildqualität aktiv – und das auch in den Büroräumen. Die Aufnahmen konnten live eingesehen werden oder bis zu 48 Stunden nach Aufzeichnung, denn so lang wurden sie gespeichert. Entsprechende Hinweisschilder wiesen zwar auf die allgemeine Überwachung hin, doch die Kameras erfassten nahezu alle Bereiche des Betriebs. Ein Produktionsmitarbeiter, der dort seit August 2020 arbeitete, hatte der Überwachung mehrfach widersprochen. Im Arbeitsvertrag stand zwar, dass personenbezogene Daten verarbeitet werden dürften, doch eine ausdrückliche Zustimmung zur Kameraüberwachung lag nicht vor. Schon 2023 hatte es einen Streit über die Kameras gegeben, den beide Seiten damals durch Vergleich beendeten. An der Überwachung änderte sich jedoch nichts. Schließlich verlangte der Mitarbeiter Auskunft über die Aufzeichnungen, Unterlassung der Überwachung – und eine Entschädigung. Das Unternehmen verteidigte sich hingegen mit dem Argument, die Kameras dienten der Sicherheit auf dem Gelände.
Das LAG sah das anders, indem es feststellte, dass die Überwachung übertrieben und rechtswidrig war. Sie griff massiv in das Persönlichkeitsrecht des Beschäftigten ein, weil sie über 22 Monate nahezu ununterbrochen lief. Eine wirksame Einwilligung habe nicht vorgelegen, da Beschäftigte wegen des Abhängigkeitsverhältnisses gegenüber dem Arbeitgeber ihre Zustimmung nicht frei erteilen könnten. Auch andere Rechtsgrundlagen wie das Bundesdatenschutzgesetz oder die Datenschutz-Grundverordnung rechtfertigten die Maßnahme nicht. Nach Ansicht des Gerichts war die Überwachung unverhältnismäßig, weil keine konkreten Gefahren oder Sicherheitsprobleme belegt worden waren. Wegen der Schwere des Eingriffs und dessen langer Dauer hielt das LAG eine Entschädigung von 15.000 EUR für angemessen.
Hinweis: Dauerhafte Kameraüberwachung ohne rechtliche Grundlage verletzt das Persönlichkeitsrecht. Beschäftigte müssen einer solchen Überwachung freiwillig zustimmen, sonst ist sie unzulässig. Arbeitgeber sollten prüfen, ob Kameras wirklich notwendig sind, und sie nur in Ausnahmefällen einsetzen.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 28.05.2025 – 18 SLa 959/24
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Die Zeiten zurückdrehen zu können, wünschten sich offensichtlich einige Arbeitnehmer, die sich mit ihrer Kündigung konfrontiert sahen. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) musste aber im Hier und Jetzt entscheiden und darüber befinden, ob ein Betriebsrat einen Anspruch auf einen Sozialplan haben kann, wenn der Arbeitgeber bereits mit der Betriebsänderung begonnen hatte, als der Betriebsrat noch gar nicht existierte.
Ein Unternehmen, das Parkräume bewirtschaftete, hatte seinen Hauptsitz in Deutschland als europäisches Zentrum des Konzerns genutzt. Ende März 2025 arbeiteten dort noch 46 Personen. Anfang April kündigte die Firma 32 Beschäftigten, weil große Teile des Betriebs verlagert werden sollten. Den Betroffenen bot das Unternehmen Abwicklungsverträge mit Abfindungen an. Einige Kündigungen betrafen auch Beschäftigte mit besonderem Kündigungsschutz. Erst nach diesen Kündigungen wurde ein Betriebsrat gewählt. Die Wahl fand im April 2025 statt, die erste Sitzung war am 23.04. Der Betriebsrat wollte eine Einigungsstelle einsetzen lassen, um über einen Sozialplan zu verhandeln. Er war der Meinung, die Kündigungen seien Teil einer mitbestimmungspflichtigen Betriebsänderung. Außerdem habe die Unternehmensleitung auf einer Versammlung im März 2025 falsche Angaben zum Stand der Planungen gemacht, um die Wahl des Betriebsrats zu verzögern.
Das Arbeitsgericht lehnte den Antrag ab, und auch das LAG bestätigte diese Entscheidung. Es bestehe schlichtweg kein Anspruch auf einen Sozialplan, wenn der Arbeitgeber mit der Maßnahme bereits begonnen hat, bevor ein Betriebsrat gebildet wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müsse ein Arbeitgeber in diesem Fall nicht abwarten und darf mit der Umsetzung starten, sofern er die Gründung eines Betriebsrats nicht behindert. Auch die Täuschung über den Planungsstand änderte daran nichts. Zwar könne eine solche Täuschung Schadensersatzansprüche begründen, jedoch diene sie nicht dem Zweck, die rechtzeitige Bildung eines Betriebsrats zu sichern. Das LAG stellte außerdem klar, dass es keinen rechtlichen “Wettlauf” zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat gebe. Der Arbeitgeber darf die Umsetzung einer Maßnahme sogar beschleunigen, wenn die Entscheidung bereits gefallen ist.
Hinweis: Ein Sozialplan kann nur verlangt werden, wenn der Betriebsrat schon existiert, bevor die Betriebsänderung beginnt. Arbeitgeber dürfen geplante Maßnahmen durchführen, ohne auf die Wahl des Betriebsrats zu warten.
Quelle: LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 30.09.2025 – 2 TaBV 2/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Auch in diesem Arbeitsrechtsfall war das “Was” untrennbar mit dem “Wann” verbunden. Bei Ersterem handelte es sich um einen geplanten Personalabbau und die schließlich auch durchgeführten Kündigungen. Das “Wann” spielte für das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (LAG) dabei das entscheidende Zünglein an der Waage. Denn zum tatsächlichen Kündigungszeitpunkt waren nur noch fünf Beschäftigte übrig – zu wenig für den gesetzlichen Kündigungsschutz.
Ein Konstrukteur war seit 2004 in einem großen Konzern mit fast 49.000 Beschäftigten angestellt. Nach fast 20 Jahren wurde seine Abteilung im Juli 2023 auf ein anderes Unternehmen übertragen. Er und 37 Kollegen lehnten den Übergang ab. Dadurch blieb ein sogenannter Restbetrieb beim bisherigen Arbeitgeber bestehen, bei dem sie weiterarbeiteten. Die Firma teilte ihm mit, dass er vorerst dort verbleiben könne. In den folgenden Monaten bewarb er sich intern auf neue Stellen, erhielt jedoch keine Zusage. Schließlich kündigte ihm das Unternehmen im Februar 2024 zum 31.08.2024. Zu diesem Zeitpunkt waren im Restbetrieb nur noch fünf Personen beschäftigt. Der Konstrukteur hielt die Kündigung für unwirksam und meinte, dass das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) greifen müsse, weil im Juli 2023 – also beim Entstehen des Restbetriebs – noch deutlich mehr als zehn Beschäftigte dort tätig gewesen seien. Die Firma sah das anders und argumentierte, der Betrieb gelte wegen der geringen Anzahl an Arbeitnehmern zum Kündigungszeitpunkt als Kleinbetrieb.
Das Arbeitsgericht folgte zunächst der Ansicht des Unternehmens. Doch in der Berufung bekam der Beschäftigte recht. Das LAG stellte klar, dass für die Anwendung des KSchG die Mitarbeiterzahl zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Personalabbau zähle. Wenn ein Arbeitgeber eine einheitliche Abbauplanung verfolge, könne er den Schutz der Beschäftigten nicht dadurch umgehen, dass er Kündigungen zeitlich versetzt ausspreche. Entscheidend sei, wie viele Personen ursprünglich von der Maßnahme betroffen gewesen seien. So werde verhindert, dass Unternehmen durch gestaffelte Entlassungen den gesetzlichen Schwellenwert von mehr als zehn Beschäftigten unterlaufen.
Hinweis: Für die Anwendung des KSchG zählt der Zeitpunkt der unternehmerischen Entscheidung, nicht der Zugang der Kündigung. Arbeitgeber sollten deshalb ihre Personalplanungen genau dokumentieren.
Quelle: LAG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 25.07.2025 – 12 SLa 640/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Ab wann sich ein Mensch bedroht fühlt, ist immer individuell, so dass es eindeutiger Grenzen bedarf, wo verschiedenste Menschen miteinander klarkommen müssen. Dennoch waren sich in diesem Fall Arbeitsgericht (ArbG) und das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) nicht einig. Im Raum stand die fristlose Kündigung nach einer Attacke ohne schwere Gewalt.
Der Mann arbeitete seit Anfang 2019 als Be- und Entlader und nutzte während seiner Arbeitszeit sein privates Handy, obwohl das im Betrieb verboten war. Als sein Gruppenleiter ihn darauf hinwies, reagierte der Mann heftig. Er schrie den Vorgesetzten mit den Worten “Hau ab hier!” an, stieß ihn an der Schulter und trat in seine Richtung, wobei es zu einer leichten Berührung kam. Anschließend drohte er mit weiteren Worten und erhobenem Zeigefinger, bevor er wieder auf sein Handy schaute. Der gesamte Vorfall wurde auf Video festgehalten. Drei Tage später informierte die Firma den Betriebsrat über die geplante Kündigung. Nachdem dieser zugestimmt hatte, wurde das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich beendet. Der Beschäftigte wehrte sich dagegen vor Gericht.
Das ArbG gab ihm zunächst recht, doch das LAG sah das anders und bestätigte die Kündigung. Nach Ansicht des LAG lag ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Bürgerliches Gesetzbuch vor. Auch wenn der Angriff keine erheblichen Verletzungen verursachte, war das Verhalten so respektlos und aggressiv, dass der Arbeitgeber die Zusammenarbeit nicht mehr fortsetzen musste. Der Vorgesetzte hatte sich korrekt verhalten und auf die Einhaltung der betrieblichen Regeln geachtet. Das Gericht betonte, dass schon die verbale Aufforderung “Hau ab hier!” eine erhebliche Pflichtverletzung darstellte. Durch das Stoßen und Treten verschärfte der Mann die Situation zusätzlich. Eine Abmahnung sei daher überflüssig gewesen, da das Vertrauen endgültig zerstört war.
Hinweis: Wer seinen Vorgesetzten körperlich angreift, riskiert stets den sofortigen Verlust des Arbeitsplatzes. Auch kleine körperliche Gesten können schwerwiegende Folgen haben, wenn sie mit Respektlosigkeit verbunden sind. Arbeitgeber sollten solche Vorfälle genau dokumentieren.
Quelle: LAG Niedersachsen, Urt. v. 25.08.2025 – 15 SLa 315/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
In Sachen Arbeitszeugnis kommt es zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer wieder zu Streit, der erst von den Gerichten entschieden werden kann. Wäre es da für Arbeitgeber nicht praktisch, diesen Aufwand vertraglich auszuschließen, indem er sich beispielsweise auf ausländisches Recht beruft? Das Bundesarbeitsgericht (BAG) weiß nicht nur die Antwort auf diese Frage, sondern auch die einleuchtende Begründung – völlig egal, was in anderen Ländern gilt.
In dem Fall hatten ein Unternehmen und ein Beschäftigter im Arbeitsvertrag festgelegt, dass das Recht des US-Bundesstaats Illinois gelten sollte. Nach diesem Recht gab es keinen Anspruch auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Als das Arbeitsverhältnis endete, wollte der Beschäftigte trotzdem ein solches Zeugnis erhalten. Der Arbeitgeber lehnte das ab und verwies auf die Rechtswahl im Vertrag.
Das BAG sah das jedoch anders und legte dar, dass bestimmte Grundregeln des deutschen Arbeitsrechts immer gelten – unabhängig davon, welches ausländische Recht vereinbart wurde. Zu diesen Grundregeln gehört nach § 109 Abs. 1 Gewerbeordnung auch das Recht auf ein qualifiziertes Zeugnis. Dieses Gesetz schützt Beschäftigte und darf nicht durch Vertragsklauseln oder Rechtswahl umgangen werden. Nach Ansicht des Gerichts ist ein Arbeitszeugnis wichtig für die weitere berufliche Laufbahn und beeinflusst die Chancen auf dem Arbeitsmarkt erheblich. Deshalb durfte auch in diesem Fall niemand im Voraus auf diesen Anspruch verzichten. Die Vereinbarungen, die einen solchen Verzicht vorsahen, waren unwirksam und galten als nichtig. Auch der Hinweis auf ausländisches Recht half dem Arbeitgeber nicht weiter, weil das deutsche Arbeitsrecht in solchen Schutzfragen stets Vorrang hat.
Hinweis: Ein Arbeitszeugnis ist ein zentrales Schutzrecht und kann nicht durch Vertragsklauseln ausgeschlossen werden. Selbst wenn im Vertrag ausländisches Recht gilt, bleibt der Anspruch auf ein qualifiziertes Zeugnis bestehen. Arbeitgeber sollten daher keine derartigen Verzichtsregelungen aufnehmen.
Quelle: BAG, Urt. v. 18.06.2025 – 2 AZR 96/24 (B)
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Zum Thema Familienrecht
- Inobhutnahme: Lebensbedrohliche Misshandlung eines Säuglings unter elterlicher Obhut
- Kindergeld: Wechselmodell bringt anteiliges Elterngeld
- Selbstbestimmung im Umgangsrecht: Bundesverfassungsgericht entscheidet, dass verbindliche Umgangsregelung kein Muss ist
- In einem Fall sagte der Sohn, dass er zwar Interesse an seinem Vater habe, aber selbst entscheiden wolle, wann er ihn sehe. Also traf das mit der Sache befasste Familiengericht keine Entscheidung, um das Selbstbestimmungsrecht des Kindes zu achten.
- Im zweiten Fall hatte eine Mutter seit Jahren keinen Kontakt zu ihrem Kind, das beim Vater lebte, und beantragte mehrfach eine Umgangsregelung. Doch das Familiengericht traf keine, da die Mutter eine längerfristige professionelle Begleitung der Treffen ablehnte. Das Gericht war überzeugt, dass ohne eine entsprechende Umgangsbegleitung eine Kindeswohlgefährdung drohe.
- Staatliches Ordnungsinteresse: Auch bei nicht geklärter Identität eines Elternteils muss ein Kind einen Namen haben
- Umgangsrecht: Näherungsverbot gegen den Stiefvater ist selbst durch Mutter nicht anfechtbar
War ein wenige Wochen alter Säugling unter elterlicher Obhut, wo er schwerste Verletzungen erleidet, muss davon ausgegangen werden, dass mindestens ein Elternteil dafür verantwortlich ist. Was aber, wenn die Umstände nicht näher aufgeklärt werden können? Darf das Jugendamt dennoch die Erziehungsrechte übernehmen? Das Oberlandesgericht Hamm (OLG) war gefragt.
Die Mutter des Babys war allein sorgeberechtigt. Am 14.06.2023 stellten die Eltern das Baby zur Untersuchung “U3” der Kinderärztin vor. Diese stellte Auffälligkeiten fest und wies das Baby wegen des Verdachts auf eine Infektion in die Kinderklinik ein. Dort wurde ein lebensbedrohlicher Zustand nach Reihenfraktur von insgesamt neun Rippen festgestellt. Die Klinik informierte das Jugendamt, da diese Verletzungen nur durch eine sehr massive Gewaltanwendung hervorgerufen worden sein konnten. Die Eltern gaben ein mögliches Unfallereignis an, was aber nicht glaubhaft erschien, so dass das Kind in Obhut genommen wurde. Ein Strafverfahren wurde durchgeführt, und das rechtsmedizinische Gutachten stützte die Ansicht des Krankenhauses. Allerdings konnten die Eltern nicht strafrechtlich verurteilt werden, da nicht feststellbar war, ob Vater oder Mutter oder beide gemeinschaftlich gehandelt haben. Dennoch wurden der Kindesmutter die Erziehungsrechte umfassend entzogen und auf das Jugendamt als Ergänzungspfleger übertragen. Dagegen legte die Mutter Beschwerde ein.
Sie scheiterte vor dem OLG. Denn dieses teilte die Ansicht, dass in den Fällen, in denen Eltern nicht in der Lage seien, Gefahren vom Kind abzuwenden, ihnen die elterliche Sorge ganz oder teilweise entzogen werden müsse. Eine Kindeswohlgefährdung setze dabei eine gegenwärtige, in solchem Maß vorhandene Gefahr voraus, dass sich bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen, seelischen oder körperlichen Wohls des Kindes voraussehen ließe. Hier ist das Kind bereits massiv geschädigt worden, und bei dem Tathergang muss davon ausgegangen werden, dass sich die Gefahr durch die Eltern jederzeit wieder realisieren kann. Davor muss das Kind geschützt werden.
Hinweis: Das Kindeswohl steht über allem, auch über dem Erziehungsrecht der Eltern. Es wäre nicht auszudenken, dass das Kind den Eltern zurückgegeben wird und es in der Folge zu weiteren Verletzungen oder gar zum Tod des Kindes kommt.
Quelle: OLG Hamm, Beschl. v. 16.07.2025 – 4 UF 213/24
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Kindergeld wird immer von nur einem Elternteil bezogen. Solange die Eltern zusammenleben, ist das kein Problem, das Kindergeld fließt dann in den gemeinsamen Haushalt. Im Fall der Trennung muss dann aber auch das Kindergeld aufgeteilt werden. Wie es sich dabei mit dem Anspruch des Elternteils verhält, der nicht das Kindergeld bezieht, klärte das Oberlandesgericht Celle (OLG).
Die Eltern dreier Kinder trennten sich. Die Eltern erzogen zwei der Kinder im Wechselmodell. Das dritte Kind blieb ganz bei der Mutter. Die Mutter erhielt das Kindergeld für alle drei gemeinsamen Kinder. Die Eltern forderten sich im Trennungsverfahren nicht nur gegenseitig zur Auskunft über ihre Einkünfte auf; der Vater forderte zudem noch ein Viertel des bezogenen Kindergelds der Mutter.
Das sah das OLG ebenso und verfügte, dass die Mutter dem Vater das Kindergeld anteilig abgeben müsse. Denn im Wechselmodell kann der das Kindergeld nicht beziehende Elternteil ein Viertel des Kindergeldes fordern – auch ohne Vortrag zum Unterhaltsanspruch des Kindes. Jeder Elternteil schulde seinem Kind schließlich Unterhalt. Bezieht ein Elternteil kein Kindergeld, werde der Unterhaltsanspruch entsprechend gemindert. Es kann grundsätzlich kein Kindergeldanteil isoliert gefordert werden. Im Wechselmodell aber kann das anteilige Kindergeld als Ausgleichsanspruch geltend gemacht werden.
Hinweis: Denken Sie an diese Besonderheit, wenn Sie die Kinder im Wechselmodell erziehen, und fordern Sie Ihr anteiliges Kindergeld. Das Kindergeld beträgt noch bis zum 31.12.2025 monatlich 255 EUR pro Kind, ab dem 01.01.2026 monatlich 259 EUR pro Kind – Geld, das im Übrigen für die Kindererziehung eingesetzt werden soll.
Quelle: OLG Celle, Beschl. v. 19.08.2025 – 17 UF 52/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Eltern, die den Umgang mit ihren Kindern gerichtlich regeln lassen wollen, können sich grundsätzlich auf Art. 6 Grundgesetz (GG – Schutz von Ehe und Familie) berufen. Zu beachten ist hierbei das Wort “grundsätzlich” – denn trotz des Grundrechts müssen die Fachgerichte hier nicht immer eine Entscheidung treffen. So nahm das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Verfassungsbeschwerden zweier Eltern nicht an.
Eltern haben das Recht und die Pflicht, Kontakt zu ihrem Kind zu pflegen. Können sich getrennt lebende Eltern nicht einigen, trifft das Familiengericht eine entsprechende Umgangsregelung, mit der ein konkreter Umgang durchgeführt oder gar der Umgang ausgeschlossen werden soll. Doch es gibt auch Ausnahmefälle.
In beiden Fällen stützte das BVerfG die Entscheidungen der Gerichte. Es forderte aber auch, dass die Fachgerichte bei einem länger andauernden oder unbefristeten Umgangsausschluss die drohenden kindlichen Schäden konkret benennen müssen – sonst sei der Eingriff in Art. 6 GG zu groß.
Hinweis: Über allem steht das Kindeswohl. Schadet der Umgang dem Kind oder ist das Kind schon reif genug, um zu sagen “Ich will über den Umgang bestimmen”, kann das Gericht von einer Umgangsregelung absehen. Als Elternteil, der einen Umgang gerichtlich regeln will, muss man also genau darlegen, warum der Umgang dem Kindeswohl dienlich sein kann, und darauf achten, dass das Gericht sauber und konkret benennt, warum es das Kindeswohl gefährdet sieht.
Quelle: BVerfG, Beschl. v. 08.10.2025 – 1 BvR 316/24 und 1 BvR 810/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Wie selbstverständlich tragen wir alle unseren Nachnamen, ob den ursprünglichen Familiennamen oder den freiwillig angenommenen Namen nach einer Heirat. Aber was ist, wenn der Name des namensgebenden Elternteils nicht bekannt bzw. nicht nachgewiesen ist – welchen Namen trägt dann das Kind?
Die Eltern des Kindes, das im August 2022 geboren wurde, sind afghanische Staatsangehörige. Nach der Geburt ihres Kindes wählten die Eltern für die Namensführung des Kindes das deutsche Recht und bestimmten den Namen des Vaters zum Geburtsnamen des Kindes. Sowohl Identität des Vaters als auch die Eheschließung der Eltern konnten nicht nachgewiesen werden. Davon ungeachtet hatte der Vater die Vaterschaft jedoch anerkannt, und das bereits vor der Geburt. Dennoch erfolgte die Eintragung des Kindes im Geburtenregister zunächst mit dem Namen der Mutter. Das Standesamt trug das Kind dann mit dem Namen des Vaters ein – mit dem Zusatz “Namensführung nicht nachgewiesen”. Die Standesamtsaufsicht legte dagegen Beschwerde ein.
Die Beschwerde wurde durch den Bundesgerichtshof zurückgewiesen. Eltern dürfen wählen, welchen Namen das Kind tragen und wie es im Personenstandsregister eingetragen werden soll. Ist der gewählte Name des Elternteils nicht nachgewiesen, ist im Geburtenregister als gewählter Geburtsname des Kindes der vom Elternteil tatsächlich geführte Name mit dem einschränkenden Zusatz “Namensführung nicht nachgewiesen” zu beurkunden. Denn nur so kann dem staatlichen Ordnungsinteresse an der lückenlosen Registrierung feststehender Personenstandsfälle Rechnung getragen werden.
Hinweis: Wir leben in einer Zeit, in der leider viele Kriege toben. Viele Menschen müssen ihre Heimat schnell und oft auch ohne Papiere verlassen. Namen können dann nicht immer nachgewiesen werden, und trotzdem müssen die Kinder erfasst werden. Da ist es nur richtig und auch pragmatisch, wenn die “Nichtnachweisbarkeit” erfasst wird. Dennoch sollten betroffene Eltern versuchen, so viel “Namensbelege” wie möglich vorzulegen.
Quelle: BGH, Beschl. v. 01.10.2025 – XII ZB 503/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Wenn gegen den Stiefvater eines Kindes ein Näherungsverbot ausgesprochen wird, obwohl ein Ermittlungsverfahren eingestellt worden ist, kann die Ehefrau und Mutter des Kindes ein Beschwerdeverfahren dagegen einlegen – oder etwa nicht? Nein, sagt das Oberlandesgericht Rostock (OLG), und legt eine eindeutige Begründung seiner Entscheidung vor.
Die alleinsorgeberechtigte Mutter hatte drei Kinder, unter anderem das betreffende im Mai 2014 geborene Mädchen. Zum leiblichen Vater bestand kein Kontakt. Bis zu seiner Wegweisung durch die Polizei, also einer Wohnungsverweisung kombiniert mit einem Rückkehr- und Betretungsverbot, im Juli 2024 wohnte dort auch der Ehemann der Mutter, somit der Stiefvater der Tochter. Ebenso wurde zu dieser Zeit das mittlerweile knapp zehn Jahre alte Mädchen durch das Jugendamt in Obhut genommen. Das Amt regte an, kindesschutzrechtliche Maßnahmen wie ein Näherungsverbot zu prüfen, da der Verdacht eines schweren sexuellen Missbrauchs durch den Stiefvater vorliege. Das Mädchen wies schwere Verletzungen im Genitalbereich auf, als sie vom Stiefvater ins Krankenhaus gebracht wurde, wo es mehrere Tage bleiben musste. Die Mutter trat dem damit entgegen, dass die Verletzungen durch einen Unfall, einen Sturz auf eine Leitersprosse, entstanden seien. Das einstweilige Näherungsverbot gegen den Stiefvater wurde schließlich im August verfügt, die Mutter legte dagegen Beschwerde ein. Diese wurde vom OLG zurückgewiesen.
Zum einen sind Entscheidungen in Verfahren der einstweiligen Anordnung in Familiensachen grundsätzlich nicht anfechtbar. Eine Ausnahme hiervon bestehe nur dann, wenn “über die elterliche Sorge für ein Kind” entschieden werde. Dies lag hier nicht vor. Zum anderen war entscheidend, dass hier keine unmittelbare Rechtsbeeinträchtigung der Mutter vorlag. Und wessen Rechte durch eine getroffene Entscheidung nicht beeinträchtigt wurden, kann auch keine Beschwerde dagegen einlegen.
Hinweis: Die Entscheidung ist absolut nachvollziehbar und richtig. Natürlich sollen Familien nach Möglichkeit zusammengeführt werden – hier aber ging es um das Kindeswohl. Es muss sicher und abschließend geklärt sein, dass vom Stiefvater keine Gefahr ausgeht, bevor man ihn wieder zu dem Mädchen lässt. Und genau das Kindeswohl muss in solchen Prozessen auch immer das Hauptargument sein.
Quelle: OLG Rostock, Beschl. v. 21.10.2025 – 10 UF 84/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Zum Thema Sonstiges
- Bolzen ohne Sicherungsstift: Bringt ein Montagefehler einen Drehkran zu Fall, haften alle Beteiligten gemeinsam
- Kein Geldbetrag fällig: Lidl darf seine App weiterhin als kostenlos bezeichnen
- Tod im Hotelzimmer: Keine Kostenübernahme für Tatortreinigung und Renovierung
- Veranstalter haftet für Reisebürofehler: Kunden können bei erheblichen Abweichungen vor Reiseantritt kostenlos stornieren
- Verkehrssicherungspflicht: Betreiber haftet nicht für jeden Ausrutscher im Supermarkt
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) befasste sich mit einem schweren Unfall. Ein Turmdrehkran stürzte während der Bauarbeiten um und fiel auf einen benachbarten Supermarkt. Dort verletzte er zwei Menschen und kostete einem Kind das Leben. Dass ein solcher Kran nicht nur von einem Paar Hände montiert und kontrolliert wird, hatte zur Folge, dass das Gericht über die Verantwortung aller Beteiligten und somit deren Haftungsverteilung zu befinden hatte.
Die Verletzten verlangten Schmerzensgeld und Ersatz der materiellen Schäden. Darauf verklagt wurden schließlich die Eigentümerin des Krans, die mit dem Aufbau beauftragte GmbH, ihr Geschäftsführer sowie ein weiterer Prüfsachverständiger. Das Landgericht gab den Forderungen weitgehend statt.
Das OLG bestätigte diese Entscheidung – mit Ausnahme des Prüfsachverständigen, der nicht haften musste. Nach Feststellungen des Gerichts war der Kran nicht korrekt montiert worden. Am entscheidenden Bolzen fehlte ein notwendiger Sicherungsstift, wodurch der Kran instabil wurde und schließlich umstürzte. Dieser Montagefehler war nach Überzeugung der Sachverständigen die alleinige Unfallursache. Die Eigentümerin des Krans musste sich das fehlerhafte Handeln der beauftragten Firma zurechnen lassen. Auch die GmbH und ihr Geschäftsführer hafteten, weil sie beim Aufbau gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen hatten. Sie hätten dafür sorgen müssen, dass die Montage gefahrlos durchgeführt wird und Dritte nicht gefährdet werden. Der hinzugezogene Sachverständige, der den Kran regelmäßig überprüfte, wurde jedoch entlastet. Sein Prüfauftrag diente nur der Kontrolle nach Unfallverhütungsvorschriften und schützte keine zufällig betroffenen Personen auf Nachbargrundstücken.
Hinweis: Wer einen Kran aufstellt oder montiert, trägt große Verantwortung. Fehler beim Aufbau können nicht nur Sach‑, sondern auch Personenschäden verursachen und führen zur Haftung aller Beteiligten.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.09.2025 – 29 U 50/24
| zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 12/2025)
“Wenn etwas kostenlos ist, bist du das Produkt”, ist ein weiser Spruch, der nicht erst durch das “www” oftmals bittere Wahrheit erfahren hat. Doch besonders seit Erfindung des Internets sind Daten eine harte Währung, die sich für Unternehmen jeglicher Art digital rentiert. Was aber rechtlich dran ist an diesen Worten, musste das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) klären. Die Frage war, ob ein Discounter seine App als “kostenlos” bezeichnen darf, obwohl dafür Nutzerdaten erhoben und verarbeitet werden.
Lidl bietet seine App “Lidl Plus” an, über die die Kunden Rabatte, Sonderaktionen und personalisierte Angebote erhalten können. Für die Nutzung müssen Verbraucher die App installieren, persönliche Daten angeben und den Teilnahmebedingungen zustimmen, die satte 18 Seiten umfassen und unter anderem erklären, dass die Teilnahme “kostenlos” sei und welche Daten gespeichert und verwendet würden. Ein Verbraucherschutzverband hielt die App daher nicht für wirklich kostenlos, weil die Nutzer im Austausch für die Vorteile ihre Daten preisgeben müssten. Er verlangte, dass Lidl die Nutzung der App nicht mehr als kostenlos bezeichnen dürfe und einen “Gesamtpreis” angeben müsse.
Das OLG wies die Klage ab, ließ aber wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesgerichtshof zu. Nach Ansicht des Gerichts müssen die Nutzer für die App keinen Geldbetrag zahlen. Das deutsche und europäische Recht definieren einen Preis jedoch ausdrücklich als zu zahlenden Geldbetrag. Die Erhebung und Nutzung von Daten stelle dabei keinen derartigen Preis im rechtlichen Sinne dar. Deshalb durfte und darf Lidl die App als kostenlos bezeichnen. Wer die Teilnahmebedingungen liest, wird darüber informiert, welche Daten erhoben werden, und dass “kostenlos” nur bedeute, dass kein Geld verlangt werde. Wer die Bedingungen nicht lese, erfahre ohnehin nichts über die App, so dass auch kein irreführender Eindruck entstehe.
Hinweis: “Kostenlos” bezieht sich auf Geld, nicht auf Daten. Unternehmen müssen aber klar darlegen, welche Informationen sie sammeln und wie sie genutzt werden. Wer die Bedingungen liest, erhält alle notwendigen Informationen.
Quelle: OLG Stuttgart, Urt. v. 23.09.2025 – 6 UKl 2/25
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(aus: Ausgabe 12/2025)
Wenn ein TV-Krimi nach 90 Minuten endet, sind meist alle offensichtlich spannenden Fragen gelöst. Der Fall vor dem Landgericht Regensburg (LG) zeigt jedoch, dass nach Klärung eines realen (wenngleich hier natürlichen) Todesfalls immer noch viele Antworten offenbleiben – zum Beispiel, ob ein Hotel von einem Nachlasspfleger Schadensersatz für die Aufwendungen verlangen kann, die durch dem Tod eines Gastes im Hotelzimmer entstanden waren.
Ein Gast verstarb im März 2022 in seinem Hotelzimmer. Der Mann war 2011 nach Südafrika ausgewandert, kam aber regelmäßig nach Deutschland zurück und blieb 2021 aufgrund der Corona-Pandemie ganze acht Monate im Hotel. Ob es an den Kontaktrestriktionen dieser Zeit lag oder daran, dass der Mann schon so eine lange Zeit Hotelgast war und somit quasi schon zur Einrichtung gehörte – an dieser Stelle bleibt ungewiss, warum der Mann nach seinem Versterben “eine gewisse” Zeit unentdeckt blieb. Dies war nicht nur aus menschlicher Sicht traurig, sondern auch aus wirtschaftlicher Betrachtungsweise des Hoteliers, denn durch die eingesetzte Verwesung des Leichnams entstanden Schäden am Zimmer und am Mobiliar. Der Hotelbetreiber verlangte vom Nachlasspfleger daher 25.543 EUR für Tatortreinigung, Renovierung, neue Möbel und die Minibar. Außerdem waren noch Beträge aus Restaurantbesuchen offen. Der Nachlasspfleger argumentierte hingegen, dass der Gast seinen eigenen Tod nicht zu vertreten habe und die geltend gemachten Kosten weder notwendig noch üblich seien. Außerdem berief er sich auf Verjährung.
Das LG wies die meisten Forderungen ab – lediglich die offene Restaurantrechnung von 10,20 EUR wurde anerkannt. Das Gericht stellte klar, dass ein Hotelvertrag aus Miet‑, Dienst- und Verwahrungsvertragselementen besteht. Schäden, die durch den natürlichen Tod eines Gastes entstehen, gelten nicht als Pflichtverletzung und sind dem Vertrag rechtlich nicht zuzurechnen. Auch eine Haftung des Erben scheide aus, weil der Erbe nur für Verbindlichkeiten hafte, die vor dem Tod des Verstorbenen entstanden seien. Kosten, die erst nach dem Tod durch Verwesung oder Reinigung entstehen, gehören nicht dazu. Die Restaurantrechnung fällt jedoch in die Kategorie einer klassischen Altverbindlichkeit und kann daher eingefordert werden.
Hinweis: Hotels tragen das Risiko von natürlichen Todesfällen ihrer Gäste. Aufwendungen für Reinigung oder Renovierung nach einem Todesfall können nicht vom Erben eingefordert werden. Offene Rechnungen, die vor dem Tod entstanden sind, müssen jedoch beglichen werden.
Quelle: LG Regensburg, Urt. v. 19.09.2025 – 85 O 1495/24
| zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 12/2025)
Ein Kunde mit Reiselust hatte eigentlich noch Glück im Unglück, denn der Mangel an seiner geplanten Auszeit kam schon vor Reiseantritt ans Licht. Dennoch sah er sich mit einer Stornorechnung des Veranstalters konfrontiert, der für die fehlerhafte Informationen eines Reisebüromitarbeiters nicht verantwortlich sein wollte. Also kam doch noch Ärger auf, mit dem sich schließlich das Amtsgericht München (AG) auseinandersetzen musste.
Ein Mann buchte über ein Reisebüro eine Reise nach Ägypten für zwei Personen. Dabei wählte er ein Junior-Suite-Doppelzimmer mit All-Inclusive-Verpflegung. Aufgrund bereits gemachter Erfahrungen mit ägyptischen Hotelzimmern erkundigte sich der Reisewillige wiederholt über den Zustand der Zimmer. Der Mitarbeiter des Reisebüros versicherte seinem Kunden daraufhin, dass alle Zimmer des Hotels renoviert seien und daher auch er ein renoviertes Zimmer bekomme – entsprechend den Beispielbildern des Hotels, die mit “Wohnbeispiel” gekennzeichnet waren. Nach der Buchung stellte der Kunde zu Hause jedoch fest, dass durchaus nicht alle Zimmer renoviert seien. Und Treffer: Bei Rückfrage bestätigte die Reiseveranstalterin, dass für den Kunden kein renoviertes Zimmer reserviert worden und dies auch nicht mehr möglich sei. Tatsächlich gäbe es zwar einige renovierte Zimmer, diese waren aber ausgebucht oder nicht verfügbar. Die Hotelbeschreibung des Veranstalters machte keinen Unterschied zwischen renovierten und nicht renovierten Zimmern. Daraufhin stornierten die Reisenden die Reise und der Veranstalter stellte eine Stornorechnung über 657 EUR aus.
Das AG wies die Forderung auf Stornokosten ab und stellte fest, dass der Reisevertrag wegen eines Reisemangels erheblich beeinträchtigt war. Der Veranstalter musste sich die falschen Angaben des Reisebüros zurechnen lassen, weil er das Büro mit der Buchung beauftragt hatte. Auch die bereitgestellten Beispielbilder galten als Teil der Vereinbarung über den Zimmerstandard. Der Reiseveranstalter hafte daher dafür, dass die Weitergabe der Informationen durch das Reisebüro fehlerhaft erfolgte.
Hinweis: Reiseveranstalter haften für falsche Auskünfte ihrer Partnerbüros. Beispielbilder und mündliche Zusagen eines Mitarbeiters können den Vertrag beeinflussen. Kunden können bei erheblichen Abweichungen vor Reiseantritt kostenlos stornieren.
Quelle: AG München, Urt. v. 08.09.2025 – 112 C 7280/25
| zum Thema: | Sonstiges |
(aus: Ausgabe 12/2025)
In diesem Fall ging es um das weite Feld der Verkehrssicherungspflicht. Dabei musste das Landgericht Frankenthal (LG) die Frage beantworten, wie weit die Pflicht eines Supermarktbetreibers greift, die Böden zur Unfallvermeidung sauber zu halten: Reicht eine Kontrolle aus, die jede halbe Stunde erfolgt, oder sind hier kürzere Takte zumutbar?
Eine Frau rutschte beim Einkauf in einem Supermarkt in der Obst- und Gemüseabteilung aus, verletzte sich dabei am Brustwirbel und verlangte schließlich 10.000 EUR Schmerzensgeld. Die Betreiberin des Supermarkts erklärte, dass der Boden jeden Morgen maschinell gereinigt und alle 30 Minuten kontrolliert werde. Bei den Kontrollen entferne das Personal Verschmutzungen sofort.
Für das LG ausreichend, denn es wies die Schmerzensgeldforderung ab. Nach Ansicht des Gerichts genügten die Reinigungs- und Kontrollintervalle, um die Verkehrssicherungspflicht entsprechend zu erfüllen. Ein Supermarktbetreiber muss nicht ständig jeden Quadratmeter sauber halten, sondern nur in zeitlich angemessenen Abständen, die wirtschaftlich vertretbar sind. Gefahren durch das Verhalten anderer Kunden können auch bei sorgfältiger Kontrolle nicht völlig ausgeschlossen werden. Es ist daher zumutbar, dass solche Risiken gelegentlich auftreten. Eine häufigere Kontrolle als alle 30 Minuten sei weder zumutbar noch wirtschaftlich erforderlich.
Hinweis: Supermarktbetreiber müssen ihre Böden zwar regelmäßig überprüfen, aber nicht permanent. Unfälle durch kurzfristige Verschmutzungen lassen sich nicht vollständig vermeiden. Kunden müssen auch ein gewisses Eigenrisiko tragen.
Quelle: LG Frankenthal (Pfalz), Urt. v. 16.09.2025 – 1 O 21/24
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(aus: Ausgabe 12/2025)
