Berliner Beatles-Band “Penny Lane” bestohlen
Berlin, 19./22. Oktober 1987: Das Lied ging mir nicht mehr aus dem Kopf, ständig summte ich es vor mich hin: “Penny Lane…”. Gerade hatte ich in meinem Büro einen Klienten verabschiedet. Es war Jürgen Wehrmann, Chef der Berliner Pop-Gruppe “Penny Lane”. Die fünf Jungs hatten in der Musik-Szene den Ruf, die beste Beatles-Revival-Band zu sein. Sie waren gut im Geschäft, ihr Konzert-Kalender war knüppeldickevoll.
Die Band hatte mich engagiert, weil ihr jemand einen ganz üblen Streich gespielt hatte. Nach einem Auftritt auf dem Ärzte-Ball im Palace-Hotel hatte ein Roadie den orangefarbenen VW-Bus der Gruppe vor seiner Haustür in der Daumstraße (Spandau-Haselhorst) geparkt. Am nächsten Morgen war der Schlitten weg. Mitsamt der Musikanlage auf der Ladefläche. Schaden: flotte 100.000 Mark.
Ich ahnte damals noch nicht, wie schnell ich den Diebstahl aufklären würde. Und ich ahnte erst recht nicht, was mir die Sache noch alles bescheren sollte – jede Menge Ärger, eine Akte bei der Justiz und sogar eine Verurteilung…
Eine Zeitungsanzeige und ein Wespennest
Ich überlegte, wie ich den Fall angehen sollte. Wenn ein großer VW-Bus und eine riesige Musikanlage verschwinden, müsste der Täter zusehen, dass er die Beute einzeln verkauft. Ich schlug Jürgen Wehrmann vor, Zeitungsanzeigen zu schalten. Er stimmte zu. Kurz darauf erschien in Berlins Gazetten folgender Text:”…Für die Wiederbeschaffung der wertvollen Anlage wird eine Belohnung von 2.000 Mark ausgesetzt.” Außerdem schaltete ich noch eine weitere Anzeige: “Kaufe Bandausstattung, biete guten Preis.”
Mein Telefon klingelte schneller, als ich erwartet hatte: “Ich glaube, ich hätte da was für Sie”, schepperte die Stimme eines jungen Mannes aus dem Hörer. “Erstklassige Ware, wurde bisher von einer Profi-Band benutzt.”
In meinem Kopf dröhnte ein ganzes Glockenkonzert. Noch am selben Tag fuhr ich in die Jupiterstraße nach Neukölln. In einem heruntergekommenen Mietshaus klingelte ich an der Tür von Thomas B. (20).
Er wirkte aufrichtig erfreut: “Ah, Sie sind´s”, sagte er fröhlich. Dann kam er zur Sache. “Das Ding steht im Keller.” Als wir unten waren, sah ich es sofort: Die Anlage gehörte “Penny Lane”. Ich hatte sie mir anhand eines Fotos eingeprägt. “4.000 müssten Sie dafür aber schon ausspucken”, meinte Thomas B.
Drei Autoknacker
Ich griff in meine Tasche. Doch statt der Braunen zog ich blitzschnell ein paar Handschellen. Ehe er sich versah, hatte ich die stählerne Acht um seine Handgelenke genagelt.
“Hey, was soll denn das? Sind Sie krank, Mann?”, protestierte er. Ich ging nicht darauf ein. Denn für mich war die Sache glasklar: Da wollte jemand Diebesgut verscherbeln. Also habe ich ihn auf frischer Tat bei einer Hehlerei ertappt – dachte ich…
Ich verfrachtete den Kerl auf den Rücksitz meines weißen Audi 80. Gut gelaunt lenkte ich die Karre über die Sonnenallee. Das Radio drehte ich voll auf, weil ich keine Lust hatte, mir sein Gejammer und Gezeter anzuhören. Ich fuhr in die Karl-Marx-Straße, schließlich in die Rollbergstraße. Dort stoppte ich vor dem Polizeiabschnitt 55.
Ich schleppte Thomas B. auf die Wache. Dort erklärte ich den Beamten die Sache. Kurz darauf nahm die Kripo Thomas B. unter ihre Fittiche. Er sprudelte los wie ein Wasserfall. Schon wenig später nahm die Kripo seinen Kumpel Lutz V. (22) aus Reinickendorf fest. “Da haben Sie aber in ein Wespennest gestochen”, vertraute mir ein Fahnder an.
Denn bei den Ermittlungen der Beamten war herausgekommen: Thomas B., Lutz V. und ein dritter Komplize waren professionelle Autoknacker. Bei ihren Brüchen nahmen sie alles mit, was nicht niet- und nagelfest war. Bei insgesamt drei Wohnungsdurchsuchungen wurde so viel heiße Ware sichergestellt, dass die Kripo zwei 7,5‑Tonner bestellen musste, um alles abtransportieren zu können. Zu der Musikanlage von “Penny Lane” waren sie gekommen, wie die Mutter zum Kind: Einer der Jungs wollte einmal in seinem Leben einen VW-Bus klauen…
Zu früh gefreut
Tolle Sache, dachte ich rundum zufrieden: Ich hatte den Fall schnell gelöst, ein gutes Honorar bekommen und obendrein noch ein dickes Lob von der Polizei. Das dicke Ende kam leider noch.
Wochen später bekam ich Post von der “Staatsanwaltschaft bei dem Amtsgericht Tiergarten” (es heißt wirklich so). Als ich las, klappte mir die Kinnlade nach unten: Ein findiger junger Staatsanwalt hatte gegen mich ein Verfahren wegen “Freiheitsberaubung in Tateinheit mit Nötigung” eingeleitet.
Seine Begründung: Thomas B. war ein Dieb. Und da Juristen offenbar davon ausgehen, dass ein Dieb seine Beute verkauft, war Tomas B. im Sinne des Gesetzes kein Hehler. Er hatte lediglich eine “straflose Nachtat” begangen. Schlussfolgerung des Staatsanwalts: Ich hätte den Kerl nicht in Handschellen abführen dürfen, sondern ihn bei der Polizei anzeigen müssen.
Zu meinem Leidwesen sah es das Amtsgericht genauso. Und die Richter hörten voller Mitleid zu, wie der arme Thomas B. als Zeuge gegen mich seine angeblichen Höllenqualen und seine Todesangst schilderte, die er auf dem Rücksitz meines Audi erleiden musste. Hätte ich es nicht besser gewusst – ich hätte mich bis ans Ende meiner Tage zu Tode geschämt. Thomas B. war nicht nur ein durchtriebener Autoknacker, sondern auch ein guter Schauspieler.
Das Gericht verdonnerte mich zu 4.000 Mark Geldstrafe.
Wütend ging ich in die Berufung. Beim Landgericht kamen mir die Richter einen Schritt entgegen. Nach zwei Verhandlungstagen schlugen sie mir vor die Strafe zu halbieren, wenn ich meine Berufung zurücknehmen würde. Aber das ließ mein Gerechtigkeitssinn nicht zu. “Ich verlange, dass weiterverhandelt wird”, rief ich aufgebracht. Ergebnis: Ich wurde erneut verurteilt – diesmal kam ich mit 20 Tagessätzen gleich 2.000 Mark Geldstrafe davon.
Eine Revision gegen das Urteil war nicht zulässig…
Anmerkung: Auch die als Zeugen geladenen Polizisten konnten mit dem Begriff der “straflosen Nachtat” nichts anfangen.