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Zum Thema Arbeitsrecht
- Befriedung statt Bestrafung: Bereits der Verdacht der sexuellen Belästigung unter Kollegen berechtigt Arbeitgeber zur Versetzung
- Der kontrollierte Kontroletti: Fristlos Entlassener muss Kosten für Detektiv erstatten, der seinen Arbeitszeitbetrug nachwies
- Gegenbeweis blieb aus: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg wertet “Digital Native” als Altersdiskriminierung
- Keine Eilbedürftigkeit gegeben: Teilzeitantrag kann nicht während einer Brückenteilzeit gestellt werden
- Vorgetäuschte Arbeitsunfähigkeit? Sind angebrachte Zweifel nicht belegbar, hat ein ärztliches Attest hohen Beweiswert
Das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) musste über die Versetzung eines Arbeitnehmers entscheiden, dem die sexuelle Belästigung einer Kollegin vorgeworfen wurde. Diese blieb zwar nach Recherchen des Arbeitgebers unbewiesen, so dass die diesbezügliche Abmahnung auch keinen Bestand hatte. Die Versetzung wollte der Arbeitnehmer jedoch auch nicht hinnehmen und empfand diese als unberechtigte Bestrafung. Zu Recht?
Nach einer Abteilungsversammlung behauptete eine Arbeitnehmerin, ein Kollege habe sie an der Schulter berührt und “Schätzchen” genannt. Im weiteren Tagesverlauf soll der Mitarbeiter ihr zudem im Vorbeigehen bewusst auf das Gesäß geschlagen haben. Der Arbeitgeber nahm die Ermittlungen auf und hörte unter anderem mehrere Zeugen der Abteilungsversammlung an. Schließlich sprach er eine Abmahnung aus und versetzte den Mitarbeiter an einen anderen Standort. Dagegen klagte der Arbeitnehmer. Er bestritt, die Kollegin sexuell belästigt zu haben. Insbesondere habe er sie nicht am Gesäß berührt.
Das LAG urteilte, dass die Abmahnung unwirksam gewesen sei und deshalb aus der Personalakte entfernt werden müsse. Schließlich konnte der Arbeitgeber die sexuelle Belästigung der Arbeitnehmerin nicht beweisen. Anders sah es das Gericht jedoch mit der Versetzung. Diese hatte der Arbeitgeber wirksam vorgenommen. Es ist nach Auffassung des Gerichts nämlich Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagieren will. Er muss dabei nicht erst die Ursachen und Verantwortlichkeiten für die entstandenen Konflikte im Einzelnen aufklären. Sei eine Konfliktlage gegeben und könne der Arbeitgeber diese Konfliktsituation durch Ausübung seines Direktionsrechts beenden, kann er diese Maßnahme auch ergreifen. Die Trennung der betroffenen Arbeitnehmer war eine geeignete und sachgerechte Maßnahme zur Lösung des Konflikts. Der Arbeitgeber habe zuvor im Rahmen seiner Möglichkeiten sogar überobligatorisch gehandelt, um den Sachverhalt aufzuklären.
Hinweis: Dem Gericht war klar, dass der (unschuldige) Mitarbeiter die Umsetzung als Strafe empfinden wird. Hier diente sie jedoch der Befriedung des Konflikts und hatte deshalb keine bestrafende Intention.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 25.02.2025 – 7 SLa 456/24
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 06/2025)
Der Einsatz eines Detektivs gegen einen Mitarbeiter darf nur unter ganz engen Voraussetzungen geschehen. Wann das der Fall ist, musste das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) entscheiden. Dabei ging es um den Nachweis des arbeitgeberseitigen Verdachts, dass ein Arbeitnehmer Arbeitszeitbetrug begehe.
Der Arbeitnehmer war seit April 2009 bei einem Verkehrsunternehmen im öffentlichen Nahverkehr als Fahrausweisprüfer angestellt. Er war in Vollzeit tätig, wobei die Zeiterfassung über eine mobile App erfolgte. Der Arbeitgeber stellte schließlich Unregelmäßigkeiten bei der Arbeitszeiterfassung des Arbeitnehmers fest und hegte den Verdacht, dass der Mitarbeiter trotz Arbeitszeiterfassung an verschiedenen Tagen etwa ein Fitnessstudio oder einen Friseur besucht habe. Der Arbeitgeber beauftragte daraufhin eine Detektei, den Mitarbeiter an mehreren Tagen zu observieren. Aus dem Abschlussbericht ergab sich, dass der Arbeitnehmer ohne Pauseneintrag mehrfach längere Pausen in Bäckereien und Cafes sowie bei seiner Freundin eingelegt hatte. Der Arbeitgeber kündigte daraufhin das Arbeitsverhältnis fristlos. Obendrein forderte er auch die Erstattung der Detektivkosten von über 21.000 EUR. Dagegen erhob der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage.
Doch das LAG gab dem Arbeitgeber Recht. Die außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund war wegen des nachgewiesenen Arbeitszeitbetrugs gerechtfertigt. Und der Arbeitnehmer musste auch die Detektivkosten erstatten, denn der Arbeitgeber durfte wegen des dringenden und konkreten Tatverdachts einen Detektiv zur weiteren Aufklärung beauftragen. Ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht oder die Grundrechte lag nicht vor.
Hinweis: Solche Fallkonstellationen können also für Arbeitnehmer wirklich richtig teuer werden. Da hilft nur eins: das vertragsgerechte rechtmäßige Verhalten.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 11.02.2025 – 7 Sa 635/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 06/2025)
Mit “flotten” oder “freshen” Stellengesuchen – suchen Sie sich aus, was Sie anspricht – sollten Arbeitgeber künftig besser aufpassen. Denn die folgende Klage eines abgelehnten Bewerbers hatte vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) auch deshalb Erfolg, weil sich das Unternehmen dabei Begriffen bediente, die schon bei kurzem Nachschlagen zur Bedeutung alle Alarmglocken bei Personalverantwortlichen hätten erklingen lassen.
Ein Diplom-Wirtschaftsjurist hatte sich auf eine Stelle bei einem Sportartikelhändler beworben. In der Stellenausschreibung suchte dieser einen “Digital Native”, der sich in der “Social-Media-Welt zuhause fühlt”. Er suche außerdem einen “absoluten Teambuddy” und biete ein dynamisches “Team mit attraktiver Vergütung und Chancen zur beruflichen Entwicklung”. Der Diplom-Wirtschaftsjurist stellte sich dabei ein Gehalt von 90.000 EUR im Jahr vor. Der Arbeitgeber lehnte seine Bewerbung jedoch ab. Der Bewerber klagte, denn er vertrat die Ansicht, dass die Formulierung in der Stellenanzeige ein Indiz für eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 3 Abs. 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sei. Er ging von einer Altersdiskriminierung aus und klagte auf eine Entschädigung nach dem AGG in Höhe von 37.500 EUR.
Das LAG bestätigte das Urteil der ersten Instanz. Der diplomierte Wirtschaftsjurist erhielt 7.500 EUR, da er wegen seines Alters eine ungünstigere Behandlung erfahren hatte als der letztlich vom Arbeitgeber eingestellte Bewerber. Der Begriff “Digital Native” knüpft unmittelbar an das Lebensalter an. So definiert der Duden damit eine Person, die mit digitalen Technologien aufgewachsen und in ihrer Benutzung geübt ist, wobei Ersteres bestimmte noch berufstätige Jahrgänge naturgemäß ausschließt.
Hinweis: Das Gericht stellte klar, dass das AGG vermute, dass Bewerber in solchen Fällen zumindest auch aus Altersgründen abgelehnt worden seien. Deshalb wäre es in diesem Fall am Arbeitgeber gewesen, einen Gegenbeweis zu liefern. Das hatte der Arbeitgeber jedoch nicht getan.
Quelle: LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 07.11.2024 – 17 Sa 2/24
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(aus: Ausgabe 06/2025)
Die sogenannte Brückenteilzeit ist eine befristete Herabsetzung der Arbeitszeit. Ist diese Form der Teilzeit beendet, kehrt der Arbeitnehmer zu der davor festgelegten Arbeitszeit zurück. Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hatte in diesem Zusammenhang ein Urteil zur Frage gefällt, ob ein Antrag auf Teilzeit noch während einer bestehenden Brückenteilzeit möglich ist.
Die Arbeitnehmerin dieses Falls hatte sich mit ihrem Arbeitgeber auf eine Brückenteilzeit geeinigt und reduzierte für die Zeit vom 01.09.2022 bis zum 31.08.2024 ihre Arbeitszeit auf 30 Wochenstunden. Beide Seiten vereinbarten darüber hinaus, dass die Arbeitszeit auf vier Wochentage verteilt werden sollte. Noch während dieser vereinbarten Brückenteilzeit beantragte die Beschäftigte im März 2024 eine unbefristete Teilzeittätigkeit nach § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz mit 30 Wochenstunden. Diese solle nach Vorstellung der Arbeitnehmerin mit dem Ende der Brückenteilzeit beginnen. Als der Arbeitgeber das ablehnte, klagte die Arbeitnehmerin ihr vermeintliches Recht ein. Erfolg hatte sie damit allerdings nicht.
Das LAG entschied, dass Arbeitnehmer zu diesem Zeitpunkt keinen Anspruch auf eine unbefristete Teilzeit haben. Das Gericht stellte in seiner Entscheidung klar, dass ein Antrag auf unbefristete Teilzeit während einer laufenden Brückenteilzeit unzulässig ist. Allein der Umstand, dass die Durchsetzung des möglichen Anspruchs im Hauptsacheverfahren mehrere Monate dauern kann, begründet eine solche Eilbedürftigkeit nämlich noch nicht.
Hinweis: Nun ist also klar, dass während einer bestehenden Brückenteilzeit kein Teilzeitantrag auf die Zeit danach gestellt werden kann. Für alle Beteiligten ist es ohnehin besser, wenn eine einvernehmliche Regelung für eine Teilzeitarbeit möglich ist.
Quelle: Hessisches LAG, Urt. v. 02.12.2024 – 16 GLa 821/24
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(aus: Ausgabe 06/2025)
Häufig sorgen angeblich falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen für gerichtliche Ausienandersetzungen, die sich meist mit der Beweiskraft von ärztlichen Attesten befassen. Jeder einzelne Fall bringt aber Besonderheiten mit sich, die interessante Blickwinkel aufwerfen – so auch im Fall vor dem Landesarbeitsgericht Köln (LAG).
Ein Finanzdienstleister plante Restrukturierungsmaßnahmen und lud deshalb acht Arbeitnehmer zu einem Personalgespräch am 11.07.2022 ein. Für den betreffenden Tag meldeten sich dann jedoch gleich alle acht eingeladenen Mitarbeiter arbeitsunfähig krank. Der Arbeitgeber forderte daraufhin die Beschäftigten auf, eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem ersten Tag vorzulegen. Einer der Arbeitnehmer lieferte die geforderte Bescheinigung am 12.07.2022, mit der ihm eine Arbeitsunfähigkeit vom 11.07. bis einschließlich 15.07.2022 ärztlich bestätigt wurde. Der Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit der Begründung, der Arbeitnehmer habe seine Arbeitsunfähigkeit lediglich vorgetäuscht. Dagegen klagte der Arbeitnehmer und erhob eine Kündigungsschutzklage.
Das LAG sah keinen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung. Ein ärztliches Attest habe einen hohen Beweiswert. Bezweifelt der Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit, muss er die Umstände, die gegen die Arbeitsunfähigkeit sprechen, darlegen und notfalls beweisen. Dass die Arbeitsunfähigkeit bei acht Mitarbeitern gleichzeitig in Zusammenhang mit einem schwierigen Personalgespräch auftrat, rechtfertigte auch in den Augen des Gerichts Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit. Allerdings bestätigte die Fachärztin, die die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt hatte, ihre Diagnose anhand ihrer Aufzeichnungen. Dem hatte der Arbeitgeber nichts entgegenzusetzen und somit keinen Grund für eine verhaltensbedingte Kündigung.
Hinweis: In dieser Sache wurde eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht eingelegt. Sofern es zu einer Revisionsverhandlung kommen wird, werden wir weiter berichten.
Quelle: LAG Köln, Urt. v. 12.12.2024 – 8 Sa 409/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 06/2025)