Freitag, 29. November 1985
Berliner Morgenpost |
BERLIN |
Freitag, 29. November 1985 – Seite 5 |
Mann kam 22mal über die Regenrinne und bedrohte Ex-Freundin
Privat-Detektiv schnappte
Neuköllner Fassadenkletterer
Seit 5 Tagen traut sich die 35jährige Evelyn J. aus Neukölln nicht mehr in Ihre Wohnung. Sie hat Angst vor ihrem früheren Freund Frank K. (21), der, wie berichtet, immer wieder angetrunken in ihre Wohnung im fünften Stock des Hauses Emser Straße 55 eindringt und sie bedroht.
Sage und schreibe 22mal ist der arbeitslose Lagerarbeiter in den vergangenen Wochen die Regenrinne an der Hausfassade emporgeklettert, hat die Balkontür aufgebrochen und die 35jährige belästigt. Evelyn J.:“Er will nicht hinnehmen, daß er für unseren 18 Monate alten Sohn Benny Alimente zahlen muß”. Am vergangenen Sonnabend hatte K. seine frühere Freundin sogar gewürgt, am Arm verletzt und ihre siebenjährige Tochter Bettina blutig geschlagen. Tränenüberströmt mußte die Mutter zusehen, wie daraufhin ihre Kinder vom Jugendamt untergebracht wurden, weil sie in der Wohnung nicht mehr sicher sind.
In dieser Woche setzte K. seinen Terror bereits zweimal fort. Nachdem er am Mittwochabend vor Eintreffen der Polizei verschwinden konnte, erschien er in der Nacht zu gestern erneut. Wieder kletterte K. die eisglatte Regenrinne bis zum fünften Stock hinauf. Obwohl die verzweifelte Frau dort Stacheldraht verlegt hat, gelangte K. mit blutigen Händen über den Balkon in die Wohnung. Ein Polizeibeamter: “Es ist ein Wunder, daß er noch nie abgestürzt ist”.
Im Wohnzimmer wurde K. gestern jedoch von zwei Privatdetektiven, Stefan Dudzus (25) und Andreas B. aus Tiergarten, empfangen. Sie übergaben den sich heftig wehrenden Mann der Polizei.
Die beiden Männer hatten sich schon am Abend auf die Lauer gelegt, als K. vom Dach des gegenüberliegenden Hauses versuchte, in die Wohnung seiner Freundin zu sehen. Kurz darauf rief er zweimal bei ihr an. Dudzus ging ans Telefon und gab sich als neuer Freund aus: “Weitere Belästigungen haben keinen Sinn.”
Während Evelyn J. dann in die Wohnung ihrer Nachbarin ging, blieben die Männer zurück. Stunden später Kratzen und Scharren vom Balkon: Plötzlich stand K. im Wohnzimmer. Nach heftigen Gerangel fesselten ihn die Detektive. Der 21jährige wurde später von der Polizei wieder freigelassen. Gestern nachmittag erschien er erneut vor dem Haus, diesesmal um alte Schallplatten abzuholen. Weil Polizei da war, kam es zu keinem Zwischenfall.
Frank K. wurde im September zu einer fünfmonatigen Haftstrafe wegen Körperverletzung verurteilt. Die Strafe wurde auf zweieinhalb Jahre zur Bewährung ausgesetzt.
Der Staatsanwaltschaft liegt nur eine Anzeige gegen ihn vor. Am 27. Oktober hatte K. einen Beamten angegriffen, der ihn in der Wohnung von Evelyn J. festnehmen wollte. Über die anderen Vorfälle wurde man, so Pressesprecher Hellmut Königshaus, bei der Staatsanwaltschaft nicht informiert. So sei K. noch keinem Haftrichter vorgeführt worden. Nach der Strafprozeßordnung rechtfertigen die bisher aktenkundigen Vorwürfe keinen Haftbefehl. rä.